Treibstoffkosten : Hoher Spritpreis hat kaum Auswirkungen auf die Autonutzung

Michael Cik, Verkehrswissenschaftler und Co-Founder von Invenium Data Insights, und Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung

(v.l.) Michael Cik, Verkehrswissenschaftler und Co-Founder von Invenium Data Insights, und Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung

- © Ludwig Fliesser

Im Lauf des Jahres 2022 sind die Spritpreise in Österreich massiv gestiegen und haben erstmals die Zwei-Euro-Marke übersprungen. In einer detaillierten Studie zu diesem Thema hat Invenium Data Insights, eine Tochter der A1 Telekom Austria Group, für den ÖAMTC anonymisierte Mobilfunkdaten ausgewertet. Daraus lassen sich Rückschlüsse über das Mobilitätsverhalten der Gesamtbevölkerung ziehen. Dabei wurde analysiert, welche Auswirkungen diese Mehrbelastung durch den Treibstoffpreis auf den motorisierten Individualverkehr hatte. Dabei konnte man feststellen, dass der hohe Spritpreis nicht zu einem signifikanten Rückgang der Autonutzung geführt hat. „Unsere Analyse zeigt, dass die gestiegenen Spritpreise zu keiner signifikanten Reduktion der Fahrtweiten geführt haben“, sagt Michael Cik, Verkehrswissenschaftler und Co-Founder von Invenium Data Insights: „Wenn der Spritpreis einen extremen Einfluss auf den Individualverkehr hätte, dann hätte man das gesehen.“ Das war offenbar nicht der Fall.

Der ÖAMTC schlussfolgert daraus, dass viele Menschen auf das Auto angewiesen sind und deshalb nicht so ohne weiteres auf andere Verkehrsträger umsteigen könnten. Die hohen Treibstoffkosten würden deshalb auch nicht zu einer Verhaltensänderung führen, sondern seien lediglich eine Mehrbelastung, meint Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung. Er bekräftigt daher die Forderung nach einer Erhöhung des Kilometergelds auf 60 Cent, da dieses schon seit langem keine entsprechende Valorisierung mehr erfahren hat. Außerdem schlägt er eine Erhöhung der Kilometerpauschale für Mitfahrer von 5 auf 25 Cent vor, um einen finanziellen Anreiz für die Bildung von Fahrgemeinschaften zu schaffen. Außerdem fordert er mehr Transparenz bei der Auslastung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Nur so könnte man sinnvolle Mobilitätsagebote für die Bevölkerung schaffen. Konkret sei die Frage, ob beispielsweise starre Buslinien mit fragwürdiger Auslastung nicht besser durch andere Angebote ergänzt oder ersetzt werden sollten. „Wir sind seit Jahren Befürworter eines flächendeckenden Mikro-ÖV-Systems“, sagt Wiesinger. Damit gemeint sind kleinräumige, bedarfsorientierte, flexible an den Nutzern orientierte Verkehrsangebote, die in ländlichen Räumen Transportdienstleistungen für Personen zur Verfügung stellen.

Ein Zusammenhang zwischen den zurückgelegten Fahrweiten und dem Spritpreis ist nicht feststellbar. Der Rückgang bei der Mobilität sei hingegen durch die Corona-Pandemie und deren Folgeerscheinungen wie Quarantäne und Homeoffice zu erklären

- © Invenium Data Insights
Unsere Analyse zeigt, dass die gestiegenen Spritpreise zu keiner signifikanten Reduktion der Fahrtweiten geführt haben“
Michael Cik, Verkehrswissenschaftler / Invenium Data Insights

Teuer Sprit: Menschen fahren nicht weniger, aber langsamer

Was sich allerdings gezeigt hat, war, dass zwischen Mai und August 2022 die Reisegeschwindigkeit deutlich abgenommen hat. Zu dieser Zeit waren Diesel und Benzin besonders teuer und die Menschen hätten daher das Tempo gedrosselt, um Kraftstoff zu sparen. Außerdem wurde auch massiv dafür geworben, das Tempo auf Autobahnen zu reduzieren. „Unser Schluss ist, dass Überzeugungsarbeit wirkt“, sagt Wiesinger. Überzeugung sei demnach auch der bessere Weg, als eine Verordnung von niedrigeren Tempolimits. Der ÖAMTC will sich weiterhin dafür einsetzen, Bewusstsein für die positiven Effekte einer spritsparenden Fahrweise zu schaffen und stellt dafür unter www.oeamtc.at/spritsparen auch entsprechende Informationen bereit.

Zwischen Mai und August 2022 fuhren die Menschen in Österreich zwar nicht weniger, dafür aber langsamer mit dem Auto, um Kraftstoff zu sparen

- © Invenium Data Insights

Pandemie mit starkem Einfluss auf Mobilität

Während der Spritpreis kaum Einfluss auf das Mobilitätsverhalten hatte, habe hingegen die Corona-Pandemie und deren Nebeneffekte wie Quarantäne, Homeoffice und virtuelle Kommunikation für einen Rückgang gesorgt – speziell im Zeitraum 2021 bis April 2022. Ab September 2022 näherten sich die Werte trotz immer noch teurer Kraftstoffe wieder jenen von November 2019 an. Ein möglicher Grund dafür könnten für Cik die steigenden Energiekosten sein, die die Nutzung des eigentlichen Arbeitsplatzes wieder attraktiver machen: Wer tagsüber nicht zu Hause ist spart schließlich Strom- und Heizkosten.

Gestiegen ist auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsangebote, allerdings kaum im Berufsverkehr: „Die Studie zeigt auch einen Anstieg der Öffi-Nutzung gegenüber 2019, der aber vor allem auf Freizeitfahrten zurückzuführen ist", erläutert Cik. Dies führt er unter anderem auf Angebote wie das Klimaticket zurück, das eine kilometerunabhängige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel mit einem jährlichen Pauschaltarif erlaubt.

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ÖAMTC als Interessenvertreter

Laut Wiesinger würden die Zahlen aus der Studie belegen, dass viele Menschen nach wie vor auf den Pkw angewiesen sind. „Vor allem Pendler aus dem ländlichen Raum haben häufig keine Alternative. Umso wichtiger ist eine rasche Entlastung, etwa durch eine Senkung der Mineralölsteuer, die Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes und eine Reform der Pendlerpauschale." Wiesinger sieht die technischen Möglichkeiten gegeben, um die jeweils zustehende Pendlerpauschale individuell nach den tatsächlich anfallenden Kilometern auf der Wegstrecke zu berechnen – als Alternative zum Zonenmodell. Für einen massiven Umstieg von Pendlern fehle aus Sicht des ÖAMTC außerdem nach wie vor ein attraktiveres Angebot im öffentlichen Verkehr. Taktung, Verfügbarkeit und die Bewältigung der "letzten Meile" müssten weiter verbessert werden. „Für die Planung eines bedarfsgerechten öffentlichen Verkehrs sollten systematisch anonymisierte Mobilfunkdaten, aber auch die Eingaben in den Pendlerrechner, genutzt werden", fordert Wiesinger.