Fuhrpark : "Die altmodischen Mammuts müssen in die digitale Welt aufbrechen"
Die langfristigen Veränderungen interessieren Kálmán Tekse besonders. Seit Ende des letzten Jahres ist Tekse General Manager von Arval Österreich und richtet seinen Blick gezielt auf Zukunftsthemen, statt in der Vergangenheit fest zu verharren. Um ein wahres Wort ist der gebürtige Ungar, der mehrere Sprachen spricht und zuvor viele Jahre als General Manager von Arval Hungary war, nicht verlegen.
Anfangs war es für den neuen Arval-Manager eine kleine Umstellung. „Ungarn ist vor allem durch ein paar große Player dominiert. Der österreichische Markt mit viel mehr Anbietern hat ebensolches Potenzial, doch er ist auch etwas konservativer“, muss Tekse feststellen. Vor allem dann, wenn es um die Öffnung für neue Dinge - etwa Technologien - geht.
„Hier wird zweimal überlegt, eine Fuhrpark-App in Betrieb zu nehmen“, sagt Tekse. Der Arval-Manager würde sich etwas mehr Dynamik wünschen - und die wird es zwangsläufig auch geben (müssen). „Im internationalen Wettbewerb gibt es keine andere Möglichkeit, sonst leidet die eigene Konkurrenzfähigkeit. Es gibt weltweit viele gute Beispiele, etwa Banken oder Paketdienstleister, bei denen sich eine dynamische Handlungsweise bezahlt gemacht hat“, befindet Tekse.
Auf zu neuen Mobilitätslösungen
Spezialisiert hat sich Arval, ein Tochterunternehmen der französischen Bank BNP Paribas, auf Full-Service Autoleasing, sprich die Rundumbetreuung von Flottenfahrzeugen. Seit dem Jahr 2000 ist das Unternehmen auch in Österreich tätig. „Vereinfacht gesagt braucht der Kunde mit unserem Full-Service-Programm nur mit seinem Flottenfahrzeug zur nächsten Tankstelle fahren und Kraftstoff tanken - alles andere übernehmen wir“, sagt Tekse.
Doch das gehört mittlerweile auch bei der Konkurrenz zum Programm. Viel wichtiger sei es, den Blick Richtung Zukunft zu richten, langfristig zu denken und Verträge mit flexiblen Leasing-Laufzeiten anzubieten. „Kunden interessieren sich heute dafür, welches Onlinetool, welche App und welche Art von Telematiksystemen oder Mobilitätsdienstleistungen angeboten werden. Das macht den Unterschied zwischen den Anbietern aus“, betont Tekse und ergänzt: „Wir denken genau darüber nach, wo wir in zwei bis drei Jahren stehen werden.“
Indirekt spricht der Arval-Manager damit auf die Einführung neuer Mobilitätslösungen an, mit denen der Kfz-Leasing-Anbieter sein Portfolio auch in Österreich erweitern will. Hierzulande reagiere man zwar noch etwas verhalten, doch in anderen europäischen Ländern, in denen Arval tätig ist, werden bereits Mobilitätskarten und Car-Sharing-Lösungen für Kunden angeboten. „Auch in Österreich ist das denkbar, vorausgesetzt, die Nachfrage ist entsprechend gegeben“, erklärt Tekse. In zwei italienischen Städten testet Arval bereits Car-Sharing-Lösungen im Rahmen eines Pilotprojektes gemeinsam mit der BNL (Banca Nazionale del Lavoro) in Italien.
Interesse an Car- und Ride-Sharing wächst
Ein Land, dass sich nicht nur bei der Nutzung von Elektroautos aufgeschlossen zeigt, sondern auch dann, wenn es um die Einführung neuer Mobilitätslösungen geht, sind die Niederlande. Dort hat Arval ein erstes Online-Autohaus eröffnet, in dem Privatkunden das für sie passende Fahrzeug konfigurieren und mit einem umfassenden Servicepaket mieten können. Das „analoge Autohaus“ wird dadurch nicht verdrängt, jedoch auf das Minimalste beschränkt.
Im Interview verriet Kálmán Tekse unter anderem seine Vision der Zukunft. „Ich glaube, dass wir in wenigen Jahren im privaten oder gewerblichen Rahmen online gehen werden und mit ein paar Klicks ein Auto bestellen können. „Der neue Treibstoff ist Big Data, wobei Experten sagen, dass wir eigentlich schon darüber hinaus sind“, so Tekse. Für den Arval-Manager ist durchaus vorstellbar, dass die Fahrzeuge dann nicht mehr nur von einer Person oder Familie, sondern im Sinne eines Ridesharing-Modells von mehreren genutzt werden. Die Zahlung erfolgt dann nach der Nutzungsdauer. Flexible Verträge mit kurzen Nutzungszeiten sind jedenfalls im Kommen.
Das Fuhrparkwesen wird kostspieliger
Trotz der Offenheit gegenüber neuen Technologien, die letztlich auch den Unternehmensfuhrpark bereichern sollen, gibt es dann doch einen Wehrmutstropfen. „Mit der ganzen Technologie, die in elektrische und später autonome Fahrzeugen gesteckt wird, werden die Investitionskosten massiv steigen, während die Erhaltungskosten eher sinken“, prophezeit Tekse. Sehr zum Missfallen der Unternehmen, die für ihre Fuhrparks tiefer als bisher in die Tasche greifen müssen. „Die Fahrzeuge werden teurer und immer weniger Menschen werden privat oder gewerblich in der Lage sein, sie zu finanzieren", so Tekse.
Dabei geht es freilich auch um die Anzahl. Manche Flotten führen Hunderte von Flottenfahrzeugen. „Was viele nicht verstehen wollen ist, dass der Übergang zu alternativen Antriebssystemen nicht nur die Preise steigen lässt, sondern auch die Total Costs of Ownership. Mir scheint, dass die Bereitschaft für eine Änderung zwar da ist, aber niemand das Budget dafür hat“, sagt Teske. „Wir raten unseren Kunden dann, dass sie im nächsten Jahr zur Sicherheit mit einem höheren Budget rechnen sollten.“
Der Diesel ist nicht der Bösewicht
Davon, den Diesel zu verteufeln, hält Tekse selbst angesichts der E-Mobilitätsdebatte nichts. Aktuell sind bei Arval rund 85 Prozent der Kombis mit Dieselantrieb im Einsatz. Wenn Sie mich fragen, welche Farbe die hauptsächlich haben, würde ich wohl sagen, schwarz“, scherzt Tekse. Tatsächlich sind die meisten Autos weiß, schwarz steht an zweiter Stelle, so die aktuelle Datenauswertung von Arval.
Der Diesel sei aber keinesfalls der Bösewicht, er passe nur nicht zu jedem Kunden, so Teske. „Wenn der Kunde 40.000 bis 50.000 Kilometer im Jahr unterwegs ist, gibt es für ihn derzeit keine andere Option.“ Anders sehe die Sache aus, wenn der Kunde unweit seiner Arbeitsstelle wohnt und Single ist. „Dann wäre ein Renault Zoe vorstellbar“, ergänzt der Arval-Manager. „Es kommt schon vor, dass ein Kunde zu uns kommt und aus Prinzip nur Dieselfahrzeuge will. Dann ist es unsere Aufgabe ihn davon zu überzeugen, dass er für seinen Fuhrpark besser langfristig planen sollte. Wenn er sein Fahrzeug bei uns längerfristig least, ist es vier bis fünf Jahre im Einsatz. Doch bis dahin kann sich die Gesetzgebung ändern“, betont Tekse.
Sinnvoller ist es dagegen, zumindest ein gewisses Kontingent an Fuhrparkfahrzeugen auf künftige Anforderungen umzustellen, rät der Arval-Manager. Für die letzte Meile würden sich zum Beispiel Elektroautos eignen, die auch vor Dieselfahrverboten geschützt wären. Ein sogenannter Antriebs-Mix kann sich über lange Sicht bezahlbar machen. Das von Arval zur Verfügung gestellte Online-Tool (Powertrain Compatibility Tool), kann dem Kunden bei der Entscheidungsfindung helfen. Der Kunde trägt dazu bestimmte Werte, etwa die Anzahl der zu befördernden Fahrinsassen oder die durchschnittliche Fahrstrecke pro Tag ein. Im Anschluss rechnet das Programm entsprechende Möglichkeiten für den Kunden aus.
Markentreue nicht mehr so wichtig
Die Schritte bis zum Leasings-Fahrzeug sollen möglichst einfach und stressfrei sein. „Um das ermöglichen, müssen wir die Schritte bis dorthin vereinfachen. Das Produkt selbst und wie man zu unseren Produkten kommt“, sagt Tekse. Online funktioniere der Produkterwerb in den Niederlanden bereits vereinfacht und wird auf das nötigste beschränkt, das komme laut dem Arval-Manager gut an. In Spanien oder Italien funktioniere das ebenfalls gut. In Deutschland beginnen gerade die ersten Versuche.
Überhaupt spielt die Treue zur Marke in einigen Ländern, in denen Arval tätig ist, mittlerweile eine untergeordnete Rolle. „Die Marke ist zweitrangig geworden, wichtig ist, was wir auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmt, anbieten können“, argumentiert Tekse. „In Österreich oder Deutschland sei man hierbei derzeit konservativ eingestellt, aber in Spanien gibt es Kunden, die interessieren sich nicht für die Marke oder Ausstattungsstufe, sondern für ein Modell, dass sie sich schnell und einfach leisten können.“ Bei bestimmten Autoherstellern, etwa Tesla, wird die Wahlfreiheit in Sachen Ausstattung bereits auf das nötigste beschränkt. Darin sieht der Arval-Manager auch die Zukunft der Autobranche.
„Wir sehen, dass sich in vielen europäischen Ländern ein komplett anderes Verständnis entwickelt. Markentreue ist nicht mehr so wichtig. Es wird langfristig nicht mehr so sein, dass der Kunde zu uns kommt und sagt, er will ein rotes Fahrzeug mit einem Zwei-Liter-Motor, sondern wir kommen auf ihn zu und bieten ihm das passende Modell an“, so Tekse. Was sich nicht ändern wird, ist die Bedeutung der Beratung. „Beratung wird immer wichtig bleiben - und das ist genau unser Job“, sagt Tekse.
Wirkungen von WLTP massiv unterschätzt
In Norwegen sind die von Arval angebotenen Flottenfahrzeuge bereits zu 85 Prozent elektrisch. „Die Nutzung der Arval-App durch die Kunden liegt bei hundert Prozent“, betont der Manager. „Alles kann über die von uns angebotene App schnell und einfach abgewickelt werden, etwa die Rückgabe des Fahrzeugs, Wartungstermine oder Beratungsgespräche.“
Auch in Österreich gebe es die App bereits, doch viele Unternehmen entscheiden sich gegen die Nutzung, verrät Tekse. Die Zurückhaltung und die Bedenken versteht er nicht. Zum bewussten „Tracken“ von Fahrern werde sie nicht genutzt, zur Optimierung des Fahrverhaltens schon.
Fahrsicherheit spielt hierbei eine große Rolle. „Im anglo-amerikanischen Raum spielt dieser Aspekt eine wichtige Rolle, aus diesem Grund ist es für die dortigen Unternehmen sehr wichtig, in Erfahrung zu bringen, wie Mitarbeiter mit dem Leasingfahrzeug unterwegs sind“, sagt Tekse. Gegen Bestrafungen der Angestellten durch den Fuhrparkleiter spricht sich der Arval-Manager entschieden aus, Empfehlungen zum Fahrverhalten seien hingegen sinnvoll.
Auf das Thema WLTP ist der Arval-Manager schlecht zu sprechen. „Die Unternehmen und die Automobilindustrie haben die Auswirkungen massiv unterschätzt“, moniert Tekse. Arval ist mit einem Lieferverzug konfrontiert, obwohl die Fahrzeuge schon längst bei den Kunden sein sollten. „Aktuell verblassen zwar die meisten negativen Effekte der WLTP-Umstellung, doch ganz erholt haben sich die europäischen Autohersteller noch nicht“.