Wirtschaft : So will die EU zu eigenen Batteriezellen kommen

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Noch vor dem Herunterfahren der Gastronomie und Wirtschaft in der Lockdown-Phase wurde offiziell der Startschuss für das europäische Batterieforschungsprojekt "SeNSE" gegeben. Die Forschung im Rahmen des Projekts ist Teil der bereits seit 2017 durch die EU-Kommission ins Leben gerufenen Initiative "European Battery Alliance".

Dabei suchen fünf Forschungsinstitute und sechs Industrieunternehmen aus sieben europäischen Ländern in den kommenden vier Jahren nach Lösungen für die Lithium-Ionen-Batterie der nächsten Generation, die im Anschluss in die Batteriezellenfertigung geschickt werden soll. Im Unterschied zu aktuellen Antriebsbatterien wird diese nächste Generation an Batteriezellen eine höhere Energiedichte sowie eine verbesserte Zellchemie und ein verbessertes Batteriemanagement besitzen. Die Batteriegröße soll insgesamt sinken und platzsparender sein.

Der Konkurrenz aus Asien die Stirn bieten

Der Bedarf an Elektroauto Batteriezellen und weiteren europäischen Batterieherstellern wird in den nächsten Jahren steigen. Gegenwärtig kommen mehr als 90 Prozent dieser Akkus aus Asien. Die EU-Kommission hat daher 2017 die European Battery Alliance ins Leben gerufen, um Kompetenz und Fertigungskapazitäten dieser Schlüsseltechnologie in Europa aufzubauen. Alleine die europäische Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien wird die unglaubliche Zahl von zehn bis 20 Gigafactories notwendig machen, so Experten.

Ehemalige Tesla-Mitarbeiter bauen Batteriefabrik

Eine entscheidende Rolle in dem Forschungsprojekt SeNSE spielt die schwedische Firma Northvolt. Das Unternehmen wurde 2016 von zwei ehemaligen Mitarbeitern von Tesla mitgegründet, die am Bau der Tesla Gigafactory in Nevada beteiligt waren. Northvolt plant derzeit die erste europäische Gigafactory mit einer Fertigungskapazität von 32 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr, die in Schweden errichtet werden soll.

Eine weitere Fabrik mit 16 GWh Jahresproduktion soll in Salzgitter entstehen. Salzgitter Batteriezellen wird es für VW geben. Ein Batteriezelle BMW Group Kompetenzzentrum soll hingegen ebenfalls Forschungen durchführen. Zum Vergleich: die Tesla Gigafactory in Nevada produziert nach Angaben des Managements derzeit rund 30 GWh Tesla Batterien pro Jahr. Experten von Northvolt werden die SeNSE-Forschenden mit regelmäßigen Briefings begleiten. Am Ende des Projekts soll eine Reihe von Prototypen für Batteriezellen entstanden sein.

Automobilzulieferbranche transformiert sich

Eine bedeutende Rolle haben die aktuellen Entwicklungen im Mobilitätssektor auch für die Automobilzuliefererindustrie. Erst kürzlich wurde offiziell, dass Zulieferer ZF zur Gänze auf den Elektroantrieb setzen wird und künftig keine Antriebskomponenten mehr entwickelt, die nur für Fahrzeuge mit reinen Verbrennungsmotoren geeignet sind.

Man wolle mit dieser Änderung der Konzernstruktur den Wandel hin zum Plug-in-Hybrid und zu elektrischen Antrieben vorantreiben. Firmenwagen hat mit Robert Buchmeier Head of Technology, Product & Heritage Communications (VCCT) bei ZF gesprochen.

„Corona ändert nichts an unserer Strategie“

Firmenwagen: Die Corona-Pandemie soll die Transformationsphase zur Elektromobilität beschleunigen, meinen Brancheninsider. Ist dem wirklich so oder ist es nicht genau umgekehrt und halten die Menschen nicht gerade jetzt so lange an ihren Verbrennern fest, wie sie nur können?

Buchmeier: Corona ändert nichts an unserer Strategie, Fahrzeuge aller Art zu elektrifizieren und zu automatisieren. Im Gegenteil: die Krise wirkt als Beschleuniger der Transformation. 2030 erwarten wir, dass rund 40 Prozent aller Neufahrzeuge weltweit mit einem Hochvoltantrieb ausgestattet werden, also batterieelektrische Fahrzeuge oder Plug-in Hybride sind. Rund 60 Prozent werden dann noch konventionell angetrieben, der Großteil davon aber teilelektrifiziert als Mild-Hybrid.

Firmenwagen: Der Plug-in-Hybrid wird von manchen noch immer als Übergangstechnologie belächelt, wobei die Diskussion nicht mehr so eindeutig gegen den Hybriden gerichtet ist. Wird der Mischantrieb den Kampf gegen das reine E-Auto mittelfristig verlieren oder sich langfristig neben ihm etablieren?

Buchmeier: Plug-in Hybride sind Wegbereiter der E-Mobilität. Hybride und reine E-Fahrzeuge werden noch viele Jahre parallel zueinander existieren, da beide in ihrem Anwendungsgebiet sinnvoll sind. Da die genaue Verteilung unsicher ist, beschreiten wir beide Wege intensiv und bieten jeweils Lösungen. Mit unseren modularen Systemen bieten wir unseren Kunden Flexibilität. Die Aufträge für unser Plug-in Hybridgetriebe der nächsten Generation ab 2022 und die nächsten Anläufe unseres weiterentwickelten elektrischen Achsantriebs, ebenfalls ab 2022, verdeutlichen dies.

Firmenwagen: ZF verändert die Struktur, viele andere auch. Der Wegfall der Produktion von Getrieben für reine Verbrenner lässt ein traditionelles Standbein wegbrechen. Dadurch werden weniger angelernte Mitarbeiter notwendig, im Gegenzug sind aber auch mehr studierte Fachkräfte für die neuen Bereiche verstärkt gefragt. Wäre es zum Wohl der Gesellschaft nicht notwendig, dass die Produktion wieder verstärkt ins eigene Land geholt wird, damit auch „Blue Collar Worker“ wieder einen Job finden?

Buchmeier: Der Wandel hin zu mehr elektrischen Antrieben, die zunehmende Digitalisierung von Produkten und die Ausweitung unseres Portfolios auf Softwareanwendungen gehen in der Tat einher mit einer Veränderung unserer Beschäftigungsstruktur. Rund ein Drittel unserer weltweit 160.000 Beschäftigten arbeitet in Deutschland. Inwieweit dieser Anteil langfristig stabil bleibt oder sich verändert, hängt davon ab, wie sich unsere Standorte langfristig weiterentwickeln, sowohl hinsichtlich des Produktportfolios als auch der Wettbewerbsfähigkeit. Um dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, haben wir erst kürzlich den „Tarifvertrag Transformation“ mit den Arbeitnehmervertretern geschlossen.

Firmenwagen: Brancheninsider kritisieren, dass es seitens der europäischen Fahrzeughersteller keinen gemeinsamen Masterplan gegen die asiatischen und amerikanische Konkurrenz gibt und Hersteller lediglich ihre Nischenziele verfolgen, anstatt gemeinsam stark aufzutreten. Ist diese Kritik für ZF nachvollziehbar?

Buchmeier: Die Hersteller, unsere Kunden, haben individuelle Markenstrategien, da sie unterschiedliche Endkunden ansprechen. Hier spiegeln sich auch die Prägungen einzelner Marktregionen wider, die in Europa anders ausfallen als in Asien oder Amerika. Um die Klimaziele zu erreichen, ist es wichtig, die Elektromobilität insgesamt noch attraktiver für die Autofahrer zu machen. Dazu gehören dann auch Aspekte wie ein engmaschiges Ladenetz. Und auch die Ansprache verschiedener Kundengruppen kann dazu beitragen.

Firmenwagen: Herzlichen Dank für das Gespräch.