Verkehrspolitik : Lobautunnel könnte Fall für Ministerklage werden

WK

Heinz Mayer, Walter Ruck und Jörg Zehetner (v.l.)

- © Florian Wieser

Verfassungsjurist Heinz Mayer sagte zum Lobautunnel-Projekt, dass die Rechtslage klar sei und mehrfach eindeutig belegt. Er kritisierte die Vorgangsweise des Klimaschutzministeriums, denn die Weisung des Ministeriums an den Autobahn- und Straßenbetreiber Asfinag sei laut Mayer nicht möglich und zudem rechtswidrig. "Das letzte Wort hat nicht ein Verwaltungsorgan, sondern der Gesetzgeber", so der Verfassungsexperte. "Sollte belegt werden, dass eine solche Weisung ergangen ist, hätte das eine Ministeranklage und in weiterer Folge auch zivil- und strafrechtliche Folgen.

Problematische Weisung

Auch Gesellschaftsrechtexperte Jörg Zehetner, der ebenfalls ein Rechtsgutachten in der Sache erstellt hat, sagte, dass eine Weisung der Ministerin gegen eine Aktiengesellschaft "aktienrechtlich unzulässig" sei und zudem inhaltlich gesetzeswidrig, da eine rechtliche Verpflichtung bestehe, die Straße zu bauen. "Mit der Aufnahme einer Straße in das Bundesstraßengesetz ist eine klare Entscheidung getroffen worden, dass die Straße zu errichten ist", betonte auch Mayer. Zum derzeitigen Zeitpunkt setze sich die Ministerin aber über das Gesetz hinweg. "Im Prinzip, in der Sache, ist der Tunnel seit dem Jahr 2018 rechtskräftig genehmigt, Beschwerden an Höchstgerichte blieben erfolglos."

Ganz ähnlich hatte auch schon der Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der WU Wien, Sebastian Kummer, argumentiert. Auch er bekräftigte in einer Diskussion im Studio von WEKA Industrie Medien, dass nur das Parlament das Gesetz ändern und damit das Bauvorhaben stoppen könne, nicht aber die Ministerin.

Projekt auf Stand von 2018

Rechtlich könne das Projekt nicht abgesetzt werden. "Wenn Frau Gewessler sagt, dass der Tunnel nicht kommt, handelt sie außerhalb ihrer Zuständigkeit", so Mayer weiter. Sollte sie das Gesetz ändern wollen, könne das nur der Gesetzgeber tun, nicht aber eine Ministerin, ergänzte Zehetner.

Die Argumentation Gewesslers, dass das Projekt "alt" und nicht mehr "zeitgemäß" sei, ist für Mayer "irreführend" und "falsch aus rechtlicher Sicht". 2015 habe das Umweltministerium und 2018 das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidungen auf Basis der damals aktuellen Sachlage getroffen. Änderungen im Sachverhalt, die es bis dahin gegeben habe, hätte das Gericht mitberücksichtigen müssen und "hat es auch berücksichtigt", so Mayer. Das Projekt sei also am Stand von 2018.

Sebastian Kummer und Hermann Knoflacher diskutierten beim WEKA Automotive Talk über Lobautunnel, Verkehrsplanung und Straßenbau

Nicht von heute auf morgen "vom Tisch"

"Für den Präsident der Wirtschaftskammer Wien, Walter Ruck, seien alle Interessen zum Lobautunnel bereits ausführlich abgewogen worden. Zum derzeitigen Zeitpunkt gehe es also nur noch um die Frage, ob sich ein Mitglied der Exekutive über einen Beschluss des Nationalrats und über höchstgerichtliche Urteile hinwegsetzen könne. Darüber zu entscheiden sei aber nicht seine Aufgabe, sondern die des Nationalrates, der einen Misstrauensantrag stellen oder eine Ministerklage einreichen könne. Der Lobautunnel könne jedenfalls nicht "von heute auf morgen vom Tisch gewischt werden", so Ruck.

Neben der rechtlichen Grundlage fehle dafür auch das Einvernehmen mit dem Finanzministerium (BMF). Das Bauprogramm der Asfinag könne nämlich erst gültig werden, wenn es ein solches Einvernehmen gibt. Bisher stehe es aber noch aus, so Ruck. Sollte das BMF zustimmen, sei im nächsten Schritt der Asfinag-Vorstand am Zug, sind sich die Rechtsexperten einig. Sollte es jedoch zu keinem Einvernehmen kommen, würde nach Meinung von Zehetner dagegen das alte Bauprogramm umgesetzt werden.

Vom Asfinag-Aufsichtsrat fordert Ruck indessen, dass der Baustopp zurückgenommen wird. Im Klimaministerium sieht man die Sachlage naturgemäß anders als in der Wirtschaftskammer. Die Planung von Verkehrsinfrastruktur sei eine "zentrale Aufgabe des Klimaschutzministeriums", heißt es in einem Statement an die Nachrichtenagentur APA. Bestätigt fühlte sich hingegen Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) - der ebenfalls zu den Verfechtern des "Umfahrungs-Lückenschlusses" zählt. Die neuen, nun präsentierten Erkenntnisse würden die Meinung und die Rechtsauffassung der Stadt Wien eindeutig bestätigen.

Es werde einmal mehr klargestellt, dass die Entscheidung von Ministerin Gewessler ohne taugliche Rechtsgrundlage getroffen worden sei, hob Ludwig in einer Aussendung hervor. Bereits der Umstand der "völligen Intransparenz des Entscheidungsprozesses" habe den Eindruck entstehen lassen, dass es sich um eine willkürliche Entscheidung der Ministerin gehandelt habe, beklagte Ludwig. Man sei lediglich über die Absage des Projektes informiert worden. (apa/red)

Die beiden Rechtsgutachten zum Herunterladen:

Gutachten Prof. Mayer

Gutachten Prof. Zehetner/KWR

Rechtliche Schlussfolgerungen der Experten im Überblick

  • Der Baustopp verstößt gegen das Bundesstraßengesetz.
  • Das Klimaministerium muss in der Umsetzung des Bauprogramms das Einvernehmen mit dem Finanzministerium herstellen.
  • Ohne dieses Einvernehmen kann keine Beschlussfassung des Bauprogramms der Asfinag erfolgen.
  • Das Klimaministerium hat keine gesetzliche Grundlage, Baustopps zu verhängen.
  • Entsprechende Weisungen der Bundesministerin sind rechtswidrig und können zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
  • Aus Sicht des Verfassungsrechts hat die Ministerin eine rechtliche Verantwortung gegenüber dem Nationalrat (Ministerklage), die auch bis zu einem Jahr nach ihrer Tätigkeit als Ministerin beschlossen werden kann.
  • Aufsichtsratsmitglieder und Vorstände der Asfinag, die dem geänderten Bauprogramm zugestimmt haben, können haftbar gemacht werden.