E-Mobilität : Was Sie über das Right-to-Plug wissen müssen
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Im November wurde das sogenannte "Right-to-Plug", also das Anrecht auf eine private E-Ladestation am eigenen Stellplatz, im Ministerrat beschlossen. Nun hat auch der Bautenausschuss des Parlaments die damit einhergehenden Änderungen im Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) durchgewunken. Diese implizieren eine Erleichterung für Besitzer beziehungsweise Nutzer von Elektrofahrzeugen. Thomas Eberhard, Team Leader Decarbonisation & Vehicle Technologies bei AustriaTech erklärt: "Vorher hat es die aktive Zustimmung von allen Wohnungseigentümern gebraucht, damit eine Ladestation für E-Autos errichtet werden darf. Nun müssen andere Wohnungseigentümer innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich widersprechen, wenn sie mit der baulichen Änderungsmaßnahme nicht einverstanden ist sind."
Die "Zustimmungsfiktion" erklärt
Um die Errichtung von Einzeladestationen – sowie auch die Installation von mehreren Einzelladestationen in einer E-Mobilitätsgemeinschaft – in Wohnhausanlagen zu erleichtern, führt die Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG-Novelle 2022) mit der sogenannte "Zustimmungsfiktion" ein neues Instrument ein. Gemäß dieser Zustimmungsfiktion gilt eine Zustimmung als erteilt, wenn alle anderen Wohnungseigentümer über die geplante Änderung ordnungsgemäß schriftlich verständigt wurden und niemand binnen zwei Monate schriftlich - also aktiv – widerspricht. Es wird somit eine Änderung von einer aktiven Zustimmung in eine aktive (schriftliche) Ablehnung vollzogen. Aber Achtung: Die Zustimmungsfiktion gilt – nach derzeitigem Stand – nur für Einzelladestationen, die eine Leistung von maximal 3,7 kW einphasig oder 5,5 kW dreiphasig aufweisen! Austriatech führt drei Beispiele an, die das veranschaulichen sollen:
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
Beispiel 1: Die Installation von Einzelladestationen mit maximal 5,5 kW
Frau S. möchte eine Einzelladestation auf dem in ihrem Eigentum befindlichen Parkplatz installieren lassen. Sie muss alle anderen Wohnungseigentümer – mit klarer und verständlicher Beschreibung des Vorhabens – über die geplante Änderung schriftlich informieren. Der Fristenlauf von zwei Monaten beginnt ab dem Zugang der Verständigung. Namen und Zustellanschrift bekommt sie dazu vom Verwalter der entsprechenden Liegenschaft. E-Mail-Adressen darf der Verwalter nur mit der Einwilligung des betreffenden Wohnungseigentümers weitergeben. Abhängig davon, ob ein Wohnungseigentümer schriftlich widerspricht oder nicht, gibt es nun zwei Möglichkeiten:
1. Möglichkeit: Es widerspricht kein Wohnungseigentümer
In diesem Fall darf Frau S. ihre Einzelladestation auf dem in ihrem Eigentum befindlichen Parkplatz von einem konzessionierten Elektrofachbetrieb installieren lassen. Bedenken Sie: Die Zustimmungsfiktion gilt – nach derzeitigem Stand – nur für Einzelladestationen, die eine Leistung von maximal 3,7 kW einphasig oder 5,5 kW dreiphasig aufweisen.
2. Möglichkeit: Es widerspricht ein Wohnungseigentümer
Sollten ein oder mehrere Wohnungseigentümer innerhalb der zweimonatigen Frist schriftlich (auf Papier oder in dauerhaft speicherbarer elektronischer Form) Widerspruch gegen das Vorhaben erheben, muss Frau S. die Zustimmung – wie auch bisher – gerichtlich ersetzen lassen. Dazu muss sie beim zuständigen Gericht mittels eines Antrags die Ersetzung der verweigerten Zustimmung(en) beantragen. Die Chancen von Frau S. stehen – aufgrund der neuen Gesetzeslage – jedenfalls gut, dass ihrem Antrag vom Gericht stattgegeben wird.
Beispiel 2: Die Installation von Einzelladestationen mit über 5,5 kW
Falls Frau S. eine Ladestation mit mehr als 5,5 kW installieren lassen möchte, muss sie entweder die aktive Zustimmung aller anderer Wohnungseigentümer einholen, wie es bis zur WEG-Novelle 2022 für alle Einzelladestationen notwendig war, oder die Zustimmung gerichtlich ersetzen lassen. Frau S. müsste im gerichtlichen Verfahren die Verkehrsüblichkeit oder ein wichtiges Interesse an der Errichtung einer solchen Ladestation nachweisen. Ob einem solchen Antrag von Frau Schaub stattgegeben wird, ist von zahlreichen Faktoren abhängig, weshalb die Erfolgsaussichten nur schwer einschätzbar sind. Wichtig dabei ist, dass die durchschnittlich gefahrene Pkw-Strecke in Österreich 34 Kilometer pro Tag beträgt. Für die meisten Fälle ist zur Deckung dieser Alltagsdistanzen eine Langsamladung mit bis zu 5,5 Kilowatt ausreichend.
Beispiel 3: Die Installation von mehreren Einzelladestationen in einer E-Mobilitätsgemeinschaft
Wenn neben Frau S. bereits weitere Wohnungseigentümer eine Einzelladestation installieren lassen möchten, aber die notwendige Mehrheit zur Errichtung einer Ladestation als Gemeinschaftsanlage noch nicht erreicht werden kann, können sich mehrere Eigentümer zu einer sogenannten "E-Mobilitätsgemeinschaft" zusammenschließen. Dazu gelten grundlegend die gleichen Voraussetzungen wie bei der Installation einer Einzelladestation (siehe Beispiel 1 und Beispiel 2). Die Installation von mehreren Einzelladestationen in einer E-Mobilitätsgemeinschaft unterliegt auch der Zustimmungsfiktion. Die Leistungsgrenze dafür beträgt, wie in Beispiel 1 erläutert, 3,7 kW einphasig oder 5,5 kW dreiphasig pro Ladestation. Um die bestehenden Kapazitäten der Liegenschaft optimal auszunutzen, kann die E-Mobilitätsgemeinschaft auch ein sogenanntes Lastmanagement für ihre Ladestationen installieren lassen.
Das hat den Vorteil, dass einerseits die benötigte Leistung für die einzelne Ladestationen reduziert und andererseits netzdienlich geladen werden kann. Zudem kann die E-Mobilitätsgemeinschaft hierbei Kosten einsparen. Falls eine solche E-Mobilitätsgemeinschaft einzelne Ladestationen mit mehr als 5,5 kW pro Ladestation installieren lassen möchte, muss entweder die aktive Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer eingeholt oder die Zustimmung gerichtlich ersetzt werden lassen. Im gerichtlichen Verfahren ist dabei die Verkehrsüblichkeit oder ein wichtiges Interesse an der Errichtung einer solchen Ladestation nachzuweisen. Einer E-Mobilitätsgemeinschaft kann ein solcher Nachweis möglicherweise gelingen.
Beispiel 4): Die Installation einer Gemeinschaftsanlage
Die Installation von vielen nicht gemanagten Einzelladestationen kann dazu führen, dass eine Erhöhung der Anschlussleistung des Gebäudes und eine Verstärkung der Hausleitung/Zuleitung notwendig werden, was mit hohen Kosten verbunden sein kann. Eine Gemeinschaftsanlage kann unter Einsatz eines intelligenten Lademanagements Spitzenlasten vermeiden und die Ladezeiten und -leistungen der einzelnen Ladestationen so verteilen, dass es (vorerst) zu keiner Erhöhung der Anschlusskapazität kommen muss. Gemeinschaftsanlagen haben besonders im mehrgeschossigen Wohnbau Vorteile gegenüber Einzelladestationen. Für die Installation von Gemeinschaftsanlagen (z.B. gemanagte Ladestationen über eine Masterstation) und die dafür notwendige Willensbildung (§ 24 Abs. 4) gibt es durch die WEG-Novelle 2022 zwei Möglichkeiten:
Entweder muss sich eine Mehrheit aller Miteigentumsanteile (einfache Mehrheit) oder eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, die zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile ausmachen, dafür aussprechen. Die Installation einer Gemeinschaftsanlage gemäß der neuen Willensbildung ist auf Willensbildungsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2022 eingeleitet werden. Eine Leistungsgrenze für Gemeinschaftsanlagen sieht der Gesetzgeber nicht vor, wenngleich auch hier der Grundsatz gilt: "Nicht so viel Leistung wie möglich, sondern so viel Leistung wie notwendig und sinnvoll". Bei der Dimensionierung einer Gemeinschaftsanlage mit Lastmanagement sind aufgrund von Gleichzeitigkeiten meist Leistungen von rund ein bis zwei kW pro auszurüstendem Parkplatz ausreichend. Natürlich können die jeweiligen Ladestationen dann auch mit mehr Leistung laden.
Wenn eine Eigentümergemeinschaft eine Gemeinschaftsanlage installieren lassen möchte, es aber bereits eine oder mehrere Einzelladestationen gibt und die z.B. noch nicht gemeinsam gemanagt werden, gibt es folgende Möglichkeit (§16 Abs. 8): Die Eigentümergemeinschaft kann per Beschluss die Wohnungseigentümer der Einzelladeanlage dazu veranlassen, die Einzelladestation nicht weiter zu nutzen und sich einer (gemanagten) Gemeinschaftsanlage anzuschließen. Dies ist grundlegend für alle Einzelladestationen, die nach dem 31.12.2021 installiert wurden, möglich und kann frühestens fünf Jahre nach der Errichtung der Einzelladestation erfolgen. Voraussetzung für den Beschluss ist, dass durch eine (gemanagte) Gemeinschaftsanlage die elektrische Versorgung der Liegenschaft besser genutzt werden kann als durch eine oder mehrere (nicht gemanagte) Einzelladestationen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist – trotz einer mittlerweile allenfalls bereits errichteten Gemeinschaftsanlage – der Weiterbetrieb und die Weiterbenützung von bestehenden Einzelladeanlagen uneingeschränkt möglich.
Jährliche Wartung der Ladeeinheit
Die Wallbox muss nicht nur von einem konzessionierten Elektrofachbetrieb installiert werden, sondern auch jährlich von einem solchen auf die korrekte Funktionstüchtigkeit untersucht werden. Für diese Wartung müssen die Wohnungseigentümer dem Elektrofachbetrieb das Betreten, zum Beispiel der Garage, gestatten, da ansonsten keine ordnungsgemäße Wartung der Ladestation gewährleistet werden kann (§ 16 Abs. 7, WEG). Ebenso muss der konzessionierte Elektrofachbetrieb die Installation der Einzelladestation beim zuständigen Netzbetreiber melden.
Fazit
Festhalten lässt sich nach aktuellem Stand: Nur, wer die Installation einer Ladeeinheit bis zu 3,7 kW einphasig ("Langsamladen") oder 5,5 kW dreiphasig plant, unterliegt nicht mehr der umfassenden Zustimmungserfordernis anderer Wohnungseigentümer. All jene die sich für eine Wallbox mit einer darüber liegenden Ladeleistung, zum Beispiel 7,4 kW Leistung, entscheiden, benötigen weiterhin die Zustimmung aller Miteigentümer. Der Gesetzgeber will dadurch einen "Wildwuchs an verschiedenen Ladeeinheiten verhindern. Der ÖAMTC kritisiert hingegen die fehlende Klarstellung. Die Installation von Lademöglichkeiten mit elf Kilowatt Leistung sieht der Automobilclub noch im vertretbaren baulichen Rahmen: "Mit der fehlenden Definition des Begriffs ‚Langsamladen‘ schiebt der Gesetzgeber das bisherige Problem vor sich her. Denn Wallboxen sind unterschiedlich ausgestattet und arbeiten mit unterschiedlicher Leistung", moniert Martin Hoffer, Leiter der ÖAMTC-Rechtsdienste.
"Mit dem ‚Right-to-Plug‘ konnte ein wesentlicher Meilenstein in der Elektromobilität umgesetzt werden", ergänzt Thomas Eberhard, Team Leader Decarbonisation & Vehicle Technologies bei AustriaTech. Doch gibt es neben dem Wohnungseigentumsgesetz auch die Notwendigkeit, im Mietrechtsgesetz (MRG) und im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) das Anrecht auf eine Ladestation am Parkplatz zu verankern“, so Eberhard. All die oben genannten Änderungen bei einer Installation von Einzelladestationen (siehe Beispiel 1-3) treten mit 1. Jänner 2022 in Kraft. Die Zustimmungsfiktion umfasst auch Ladevorrichtungen für einspurige E-Fahrzeuge. Weiters gilt die Zustimmungsfiktion nach §16 Abs. 5 (WEG) neben der Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen auch für Solaranlagen, Beschattungsvorrichtungen, einbruchsichere Türen sowie Änderungen hinsichtlich der Barrierefreiheit.
Zusammenfassung der Änderungen der WEG-Novelle 2022
- Zustimmungsfiktion: Paradigmenwechsel - eine Zustimmung gilt als erteilt, wenn alle Wohnungseigentümer ordnungsgemäß verständigt wurden und niemand binnen zwei Monaten widerspricht
- Einzelladestation mit max. 3,7 kW (einphasig) oder 5,5 kW (dreiphasig) Es gilt die Zustimmungsfiktion
- E-Mobilitätsgemeinschaft: Der Zusammenschluss von mehreren Einzelladestationen zu einer E-Mobilitätsgemeinschaft kann auch der Zustimmungsfiktion nach §16 Abs. 5 unterliegen
- Einzelladestationen über 5,5 kW: Zustimmung aller Wohnungseigentümer muss aktiv eingeholt oder die Zustimmung gerichtlich ersetzt werden (wie bis dato für alle)
- Andere E-Fahrzeuge: Die Zustimmungsfiktion gilt nicht nur für E-Pkw sondern umfasst auch einspurige E-Fahrzeuge.
- Gemeinschaftsanlagen: Willensbildung durch einfache Mehrheit der Miteigentumsanteile oder 2/3 der abgegebenen Stimmen bei mindestens 1/3 der Miteigentumsanteile
- Unterlassung Einzelladestation und Eingliederung in Gemeinschaftsanlage: Frühestens fünf Jahre nach Errichtung einer Einzelladestation kann die Gemeinschaft eine Unterlassung beschließen, wenn durch die Eingliederung in eine Gemeinschaftsanlage die elektrische Versorgung der Liegenschaft dadurch besser genutzt werden kann
→ Die Änderungen auf einen Blick finden Sie im Austriatech e-Mobility Check Leitfaden
(Quelle.: AustriaTech, ÖAMTC; Stand 15.12.2021)