Forschung : Wie sich Lithium bei Akkus messen lässt
Viele der wichtigsten technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts wären ohne Lithium-Ionen-Akkus nicht möglich gewesen: Seit ihrer Markteinführung im Jahr 1991 entwickelten sich diese Batterien wegen ihrer vergleichsweise hohen Energiedichte und Lebensdauer zu einer Schlüsseltechnologie für den Betrieb mobiler Geräte, für alle Arten von Elektrofahrzeugen und zunehmend auch für den Einsatz in stationären Energiespeichern. Nur folgerichtig war, dass der Chemie-Nobelpreis 2019 an drei Lithium-Batterie-Forscher vergeben wurde. Aber auch in anderen technologischen Feldern spielt Lithium eine wichtige Rolle, etwa bei superleichten Strukturlegierungen für die Luft- und Raumfahrt.
Bei der Weiterentwicklung von Lithium-Werkstoffen für die verschiedenen Anwendungen haben die Forscherinnen und Forscher allerdings ein Problem: Bisher gab es in der Praxis keine einfache Methode zur ortsaufgelösten Bestimmung des Lithiumgehalts auf mikroskopischer Ebene. Diese Informationen sind wichtig, um Werkstoffe mit gewünschten Eigenschaften entwickeln beziehungsweise weiter optimieren zu können. Im Fall von Lithium tappen die Forschenden sozusagen im Dunkeln.
Lithium ist schwer nachzuweisen
Üblicherweise verwendet man zur Ermittlung von Verteilungsprofilen und -karten von Elementen ein Elektronenmikroskop, das mit einem Detektor für die energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDS) ausgestattet ist. Während der Elektronenstrahl die Probe in Nanometer-Schritten abrastert, wird dabei für jeden Punkt ein chemisches Spektrum aufgenommen, das Aufschluss über die Zusammensetzung gibt. Daraus kann man bildliche Darstellungen der Elementverteilung, sogenannte Maps, erstellen.
Das Problem bei Lithium ist, dass dieses als leichtestes festes Element (Ordnungszahl im Periodensystem der Elemente: 3) nicht mit gängigen EDS-Detektoren nachgewiesen werden kann. Zwar strahlen auch Lithium-Atome bei Anregung charakteristische Röntgenstrahlen aus, doch sind diese so niederenergetisch, dass sie nicht detektiert werden können.
Folglich werden bei der Erstellung einer EDS-Map einer Lithium-haltigen Probe nur die sonstigen Elemente kartiert, Lithium selbst ist aber "unsichtbar". Zwar wurden in der wissenschaftlichen Literatur schon alternative Methoden vorgeschlagen, um auch Lithium quantifizieren zu können, diese erfordern aber spezielle Ausrüstung und sind somit sehr aufwendig und teuer.
Kombination von zwei Messverfahren
Ein Team um Johannes Österreicher, Senior Scientist am LKR Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen des AIT Austrian Institute of Technology, konnte diese Schwierigkeiten nun umgehen: Entwickelt wurde ein neues Verfahren zur Kartierung von Lithium auf mikroskopischer Ebene, das mit einem Standard-Rasterelektronenmikroskop durchgeführt werden kann und keine zusätzlichen exotischen Analysegeräte benötigt. Dabei wird die EDS-Methode mit der sogenannten quantitativen Rückstreuelektronenmikroskopie (qBEI) kombiniert. Rückstreuelektronen sind jene Elektronen des Elektronenstrahls in einem Elektronenmikroskop, die in die Probe eindringen, von den Atomkernen abgelenkt und wieder zurückgestreut werden. Die Rückstreuelektronen können detektiert werden und werden oft zur Bildgebung verwendet, da Bereiche unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung unterschiedlich hell erscheinen.
Diesen Effekt hat sich das AIT-Team zunutze gemacht: Mithilfe verschiedener Elementstandards wurde eine Kalibration der Helligkeit über die Ordnungszahl erstellt, um die mittlere Ordnungszahl jedes Punktes auf einer Probe zu ermitteln. Kombiniert man diese Informationen mit einer herkömmlichen EDS-Messung, kann der Lithiumgehalt für jeden Punkt berechnet werden – selbst bei sehr geringen Lithiummengen. "Aufgrund der riesigen Bedeutung von Lithium-Ionen-Akkus wurde Lithium sozusagen zum heiligen Gral der ortsaufgelösten chemischen Analyse in Elektronenmikroskopen. Mit unserer neuen Methode sind wir einen entscheidenden Schritt weitergekommen", freut sich Johannes Österreicher.
Kooperation mit US-Industriepartner
Die neue Methode wurde international zum Patent angemeldet und in der renommierten Fachzeitschrift "Scripta Materialia" publiziert. Dies löste umgehend reges Interesse von Elektronenmikroskop-Herstellern aus. In der Folge ging das AIT eine strategische Kooperation mit der Firma Gatan aus Kalifornien (USA) ein, um die Methode weiterzuentwickeln und zu vermarkten. Gatan ist ein führendes Unternehmen in der Elektronenmikroskopie und Teil des Ametek-Konzerns, der gemessen an der Marktkapitalisierung von knapp 32 Milliarden Dollar mehr als doppelt so groß ist wie Österreichs größtes Unternehmen, die OMV.
Erste gemeinsame Arbeiten bestätigten das Potential der neuen Methode, sodass bereits ein gemeinsames Poster bei der Fachkonferenz Microscopy&Microanalysis 2021 gezeigt werden konnte. "Wir von Gatan freuen uns sehr über die Zusammenarbeit und darauf, ein erweitertes Kooperationsprogramm zu etablieren. Die Partnerschaft mit dem AIT-Team ist für uns ein Privileg und eine Gelegenheit, Spitzenforschung zu unterstützen”, sagt Oleg Lourie, Director of Product Management/SEM bei Gatan.
Wertvolle Informationen für Forschung & Entwicklung am AIT
Am LKR leistet die neue Methode zur Detektion von Lithium wertvolle Dienste bei der Weiterentwicklung von Hochleistungswerkstoffen wie zum Beispiel Magnesium-Aluminium-Lithium-Legierungen, die für viele Anwendungen im Mobilitätsbereich interessant sind. Sehr wichtig ist das neue Messverfahren überdies für die Arbeit im Battery Lab des AIT, wo Lithium-Ionen-Akkus optimiert und Feststoffbatterien der Zukunft entwickelt werden. "Diese neue Methode hilft uns sehr dabei, grundlegende Innovationen für die nächste Generation nachhaltiger Verkehrstechnologien zu realisieren", erläutert Christian Chimani, Leiter des AIT Center for Low-Emission Transport und Geschäftsführer des LKR.