Airbags : ZF Lifetec entwickelt Airbag für hochautomatisiertes Fahren

Die Dual-Contour-Airbags auf der Fahrerseite können sich laut ZF Lifetec in zwei unterschiedlichen Größen entfalten, abhängig von der Sitzposition bzw. der Größe des Fahrers.

Die Dual-Contour-Airbags auf der Fahrerseite können sich laut ZF Lifetec in zwei unterschiedlichen Größen entfalten, abhängig von der Sitzposition bzw. der Größe des Fahrers.

- © ZF LIFETEC

Wird automatisiertes Fahren zur Realität, werden Fahrerinnen und Fahrer ihre Sitzposition in Phasen ohne Fahrverantwortung ändern können. Um diese im Crashfall bestmöglich zu schützen, auch wenn sie eine bequemere Sitzposition eingenommen haben, sind neue Airbag-Konzepte notwendig, die sich in der Wirkungstiefe an die jeweilige Sitzposition anpassen.

Ein solches hat das Unternehmen ZF Lifetec, Anbieter passiver Sicherheitssysteme für den Schutz von Fahrzeuginsassen, einer Pressemitteilung zufolge entwickelt. Der sogenannte „Dual Contour“-Airbag ist für die Beifahrerseite gedacht und kann, je nach Sitzposition, in zwei unterschiedlichen Größen aufgeblasen werden. In diesem Jahr soll er seine Applikationsreife erlangen.

Jetzt wird auch für die Fahrerseite ein solcher Dual-Contour-Airbag entwickelt, gab der Hersteller bekannt. Dieser soll für die nächste Generation teil- oder vollautomatisierter Fahrzeuge geeignet sein.

Wir haben das Ziel, dass Insassen auch in Komfortsitzpositionen beim automatisierten Fahren mindestens die heute schon gewohnten Sicherheitsstandards genießen.
Harald Lutz, Entwicklungsleiter bei ZF Lifetec

Neue Airbags sollen auch in bequemer Sitzposition schützen

Hochautomatisiertes Fahren nach Level 3 ist in einer steigenden Anzahl von Fahrzeugen möglich und in immer mehr Ländern zugelassen. Fahrerinnen oder Fahrer können sich bei aktiviertem System vom Verkehrsgeschehen abwenden – unter der Voraussetzung, dass sie das Kommando über das Fahrzeug jederzeit wieder übernehmen können, wenn sie dazu aufgefordert werden.

Beim vollautomatisierten Fahren nach Level 4 könnte bald auch diese Einschränkung wegfallen, wenn das Fahrzeug bestimmte Streckenabschnitte völlig selbstständig zurücklegt.

Bislang nur Insassenschutz in aufrechter Sitzposition

Dabei können Fahrende auch die Sitzposition und die Neigung der Rückenlehne in eine etwas bequemere Komfortsitzposition ändern, solange die automatisierte Steuerung die Fahraufgabe übernimmt. Unter Komfort wird eine Lehnenneigung von etwa 40 Grad verstanden.

Sowohl für die Fahrer- als auch für die Beifahrerseite wird gemäß den meisten Bordbüchern der Insassenschutz nur für die aufrechte Standardsitzposition gewährleistet. „Wir haben das Ziel, dass Insassen auch in Komfortsitzpositionen beim automatisierten Fahren mindestens die heute schon gewohnten Sicherheitsstandards genießen“, äußert sich ZF Lifetec-Entwicklungsleiter Harald Lutz zum neuen Produkt.

Airbags kommen in zwei Größen

Das Unternehmen beruft sich auf bereits durchgeführte Crashtests. Diese hätten folgendes gezeigt: Kommt es zu einem Frontalcrash, während sich die vorderen Insassen in der Komfortsitzposition befinden, kann das klassische Gespann aus Gurt und Airbag die Insassen nicht mehr optimal schützen.

Bei dieser Sitzeinstellung ist der Abstand zwischen dem aufgeblasenen Airbag und dem Insassen zu groß, um den Passagier optimal abzufangen und zurückzuhalten.

Normale Sitzposition: 20 Grad

Dazu muss man wissen, dass bei dieser Neigungsangabe der 90 Gradwinkel von Lehne zu Sitzfläche als 0-Punkt definiert wird. Die normale Sitzposition liegt demnach bei etwa 20 Grad. Mit Blick auf das automatisierte Fahren ist deshalb eine Lösung notwendig, die für beide Positionen hohe Sicherheit bietet, so der Hersteller.

Dual-Contour-Airbags können vergrößert werden

Dies ist die Idee, die hinter dem Dual-Contour-Airbag steht, berichtet ZF Lifetec. Vereinfacht gesagt besteht die Lösung aus einem Luftsack, der für die Standardsitzposition ausgelegt ist, aber entsprechend vergrößert werden kann, wenn sich die Insassen in einer Komfortsitzposition befinden.

Der Dual-Contour-Fahrerairbag bietet zwei Stufen: Je nachdem, ob sich die Person hinter dem Lenkrad in aufrechter oder in Komfortsitzposition befindet, fährt er entsprechend weiter aus.

Die Zweistufigkeit soll über ein Steuergerät geregelt werden können, das ein System aus Fangbändern schaltet. Diese Fangbänder sind mit einer aktiven Auslöseeinheit verbunden, die diese bei Bedarf freigeben.

Airbags enthalten Gasgenerator für Extra-Volumen

Wie der Herstellermitteilung zu entnehmen ist, muss die Gasfüllmenge erhöht werden, damit sich der Fahrerairbag voll entfalten kann. Hierfür ist ein zweistufiger Gasgenerator notwendig, den das Unternehmen für Airbags mit besonders großem Volumen entwickelt hat. Er soll in der Lage sein, innerhalb von Millisekunden alle zwei Volumengrößen des im Lenkrad integrierten Fahrerairbags zu befüllen.

Entwicklungsleiter Lutz betont, dass diese Art von Airbag auf der Fahrerseite eine Tiefenadaptivität von circa 200 mm darstellen kann. Die maximale Gesamtfüllmenge eines Dual-Contour-Airbags werde derzeit auf der Beifahrerseite erreicht und betrage bis zu 190 Liter, was einzigartig auf dem Markt sei.

Intelligentes System

Da die Airbag-Steuerung in die PKW-Elektronik integriert ist, soll das Fahrzeugsystem laut ZT Lifetec "wissen", in welcher Sitzposition Fahrerin oder Fahrer sich im Moment des Crashs befinden und welche Stufe des Gasgenerators ausgelöst werden muss.

Neben Sitzneigungs- und Gewichtssensoren ließen sich demnach auch weitere Sensoren, wie etwa Innenraumkameras, zur genaueren Bewertung des Szenarios im Innenraum in das System integrieren.

Variabler Fülldruck je nach Fahrergröße, -gewicht und -statur

ZT Lifetec merkt an, dass sich der Fülldruck des Luftsacks je nach Größe, Gewicht und Statur der Insassen variieren lässt. Wenn Sensoren oder Innenraumkameras die entsprechenden Informationen bereitstellen und etwa eine große, schwere Person hinter dem Lenkrad erkennen, sollen beispielsweise Abströmöffnungen angesteuert werden können, um so einen höheren Fülldruck und damit eine höhere Rückhaltung des Insassen zu erzeugen.

“Mit diesem adaptiven System, das ZF Lifetec bereits in anderen Airbags in Serienanwendungen anbietet, wird die Rückhaltefunktion des Airbags in vielen Fahrzeugen schon heute effizienter und trägt gleichzeitig dem Ansatz der ‚‘Real-Life-Safety‘ Rechnung”, fasst Lutz zusammen.