Corona-Krise : Sixt verkleinert Flotte und setzt auf Kurzarbeit
Der aus Pullach bei München stammende Autovermieter Sixt stemmt sich mit Kostensenkungen, herausgezögerten Investitionen und einer verkleinerten Flotte gegen die Folgen der weltweiten Corona-Pandemie. Zudem wurde nun bekannt, dass Deutschlands größter Autovermieter Investitionen verschieben und Einsparungen bei Personal- und Sachaufwendungen in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro treffen werde. Die Kostensituation solle dadurch deutlich verbessert werden, teilte der im börsennotierte Konzern am Mittwoch bei der Veröffentlichung detaillierter Jahreszahlen mit. Zudem werde Sixt die Vermietflotte kurzfristig deutlich reduzieren und damit entsprechende Kapazitäten und Liquidität freisetzen.
Prognosen nur sehr vage
Der Konzern bestätigte die erst vor wenigen Tagen abgegebene Prognose eines starken Umsatz- und Gewinnrückgangs im Jahr 2020 im Prinzip, setzte aber auch ein Fragezeichen dahinter. Die Ziele hängen davon ab, dass sich die erheblichen Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens sowie des privaten wie geschäftlichen Reiseverkehrs in den für Sixt relevanten Märkten im Jahresverlauf schrittweise wieder verringern, hieß es. Diese Prämisse sei natürlich mit Unsicherheiten behaftet, denn niemand kann den weiteren Verlauf der weltweiten Pandemie vorhersehen.
Sixt setzt auf Kurzarbeit
Der Autovermieter rechnet für das Jahr 2021 mit einer Rückkehr zur Normalität. Dann werde eine deutliche Steigerung des Umsatzes und ein leichtes Plus beim Gewinn vor Steuern erwartet - und zwar nicht im Vergleich zu 2020, sondern zu 2019, als das Unternehmen ein Rekordergebnis einfuhr. Einen Teil der Mitarbeiter will Sixt für die nächsten drei Monate in Kurzarbeit schicken. Wegen der Coronakrise sei "ein deutlicher Einbruch beim Umsatz" zu erwarten, sagte Vorstandschef Erich Sixt in Pullach. Möglicherweise werde man auch "die ein oder andere Station schließen müssen". Aber es seien "keine Massenentlassungen geplant", betonte er.
Mietautos für Touristen
Erst im vierten Quartal dürfte sich die Nachfrage nach Mietautos "wieder dem Normalzustand annähern". Im Jänner und Februar sei der Umsatz noch gestiegen, im März liege er "noch nicht dramatisch" unter Vorjahr. Ein "deutlicher Einbruch" werde aber in den nächsten zwei, drei Monaten kommen, sagte der Konzernchef. Sixt macht den Großteil seines Geschäfts mit Mietautos für Touristen und Geschäftsreisen in Europa und den USA. Vor allem an Flughafen-Stationen spüre Sixt die Folgen der Corona-Krise bereits deutlich, sagte Personalchef Alexander Sixt.
Sixt verringert Flotte
Um zu sparen, verringert Sixt jetzt auch seine Vermietflotte, die normalerweise rund 270.000 Fahrzeuge umfasst. Die Laufzeit betrage im Schnitt nur sechs Monate. "Wir haben Rückkauf-Vereinbarungen mit den Herstellern und sind nicht dem Restwert-Risiko ausgesetzt", sagte Erich Sixt. Investitionen würden verschoben, Sachkosten drastisch gesenkt. An die Vorzugsaktionäre wird nur die Mindestdividende von fünf Cent je Anteil ausgeschüttet, die Stammaktionäre gehen leer aus.
Alternative zur U-Bahn
In den Vermietstationen in den Städten laufe das Geschäft im Augenblick "mit Rückgang, aber noch ordentlich", sagte der Vorstandschef. Kunden fragten nach Mietautos als Alternative zu Bus und U-Bahn, um sich nicht mit dem Virus anzustecken. Trotz allem werde Sixt auch dieses Jahr einen Gewinn erwirtschaften, wenn auch "sehr stark unter Vorjahr", sagte Erich Sixt. Der Sonderertrag aus dem Verkauf der Sixt-Leasing-Beteiligung an die Bank Santander und den Autohersteller Hyundai für 156 Millionen Euro sei dabei noch nicht mitgerechnet.
Im vergangenen Jahr hatte Sixt seinen Umsatz um 13 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro gesteigert. Der Gewinn vor Steuern blieb trotz hoher Investitionen in Digitalisierung und neue Auslandsstationen unverändert bei 337 Millionen Euro, wenn man den Sonderertrag aus dem Verkauf der DriveNow-Carsharing-Beteiligung an BMW 2018 beim Vergleich nicht berücksichtigt. Rechnet man diesen Sondereffekt mit, sank der Konzernüberschuss von 439 auf 247 Millionen Euro.
Keine Panikmache
Sixt sei solide aufgestellt und habe eine herausragende Eigenkapitalquote, betonte der Vorstandschef. Mit dem Erlös des Sixt-Leasing-Verkaufs steige die Eigenkapitalquote von 25 auf "deutlich über 30 Prozent", sagte Finanzchef Jörg Bremer. Für das nächste Jahr stellte Erich Sixt deutlich mehr Umsatz als im Rekordjahr 2019 und eine leichtes Plus beim Gewinn vor Steuern in Aussicht. Nach der Krise werde wieder viel gereist, und die Firmen setzten noch stärker auf flexible Produkte: "Die nächsten Jahre werden Jahre der Vermietbranche sein", sagte der 75-Jährige. Seinen Vertrag habe der Aufsichtsrat inzwischen bis 2023 verlängert.
Wenn die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel von der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg spreche, sei das "vollkommen verfehlt und eine Panikmache", sagte Erich Sixt. Merkel habe die Hungerjahre nach dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt. Auch nach dem Atomunfall von Tschernobyl 1986 und den Terroranschlägen 2001 habe er "diese Weltuntergangsstimmung schon erlebt".
ADAC meldet gestiegen Nachfrage
Die großen Mietwagenunternehmen in Deutschland melden derzeit einen starken Einbruch bei Vermietungen an Geschäftsreisende, verzeichnen aber gleichzeitig eine gestiegene Nachfrage von Privatkunden, die nach Alternativen zu öffentlichen Nah- und Regionalverkehrsmitteln suchen.
„Das Sicherheitsbedürfnis steht im Vordergrund“, betont Franz Frank, Geschäftsführer der ADAC-Autovermietung. Wegen der Ansteckungsgefahr in Zug, Fernbus oder ÖPNV suchen die Menschen bei nicht vermeidbaren Wegstrecken nach Alternativen mit möglichst geringem Infektionsrisiko“.