WIENER MOTORENSYMPOSIUM : Mit dem E-Auto allein, wird es nicht gehen

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Die zentrale Rolle in der Elektromobilität spielt neben dem Ausbau des Ladenetzes der Strommix, denn kommt der Ladestrom aus erneuerbaren, ökologisch vertretbaren Quellen, ist auch das E-Auto sauber unterwegs und verursacht keine CO2-Emissionen im Straßenverkehr. Ist der Strommix beim Laden alles andere als grün, verläuft sich der ursprüngliche Vorteil im Sand. Aktuell befindet sich die Welt bei der Herstellung erneuerbarer Energien noch nicht auf dem Niveau, auf dem sie sich befinden müsste, um mit der weiterschreitenden Transformation hin zur Elektromobilität Schritt zu halten. Auf diesen Umstand machte Dr. Günter Fraidl von AVL List in Graz in seinem Vortrag beim Wiener Motorensymposium 2021 aufmerksam. Weltweit nahm laut Fraidl, mit Bezugnahme auf den World Energy Outlook 2020, die Produktion von erneuerbarer Energie im Corona-Jahr nur um schlappe ein Prozent zu. Der Ausbau geht zu langsam, daher sein Appell: Nicht die Antriebspalette sollte die Energieträger bestimmen, sondern die Energiequellen und -träger die Antriebspalette.

Die Gesamtbetrachtung als Herausforderung

Mithilfe sogenannter Lebenszyklusanalysen (Umweltbilanzen) lassen sich verschiedene Faktoren berücksichtigen, die notwendig sind, um herauszufinden, wie ökologisch zum Beispiel ein Fahrzeug ist. Vor dem Hintergrund der Klimaziele ein notwendiges Tool, besonders Politiker und Gesetzgeber nutzen Lebenszyklusanalysen als Grundlage für ihre Entscheidungen. Wenn es um Fahrzeuge geht, werden zum Beispiel alle Lebensabschnitte, angefangen von der Produktion, Energiebereitstellung, Nutzung, bis hin zur Entsorgung oder dem Recycling umfasst. In Abhängigkeit davon, welche Faktoren in die Betrachtung einfließen, kann sich ein differenziertes Bild ergeben. Trotz umfangreichen Datenmaterials zu Fahrzeugen und großer wissenschaftlicher Bemühungen wird immer wieder kritisiert, dass Lebenszyklusanalysen oft ein unvollständiges Bild ergeben würden. Fraidl spricht sich für eine Gesamtbetrachtung aus, die über die klassische Tank-to-Wheel-Betrachtung („vom Tank bis zum Rad“) hinausgeht, regionale Gegebenheiten berücksichtigt und Faktoren wie Verfügbarkeit, Leistbarkeit und Arbeitsplätze einbezieht. Der an anderer Stelle vortragende David Bothe von Frontier Economics kritisiert wiederum, dass in aktuellem Lebenszyklusanalysen der Bereich der Ladeinfrastruktur für Elektroautos nicht berücksichtigt wird.

Die Rahmenbedingungen für eine Lebenszyklusanalyse werden durch die ISO 14040:2006 geregelt. Für Pkw ist sehr viel Datenmaterial vorhanden. Dennoch sieht auch Thomas Bruckmüller von der TU Wien einigen Verbesserungsbedarf. Aufbauend auf einem Forschungsprojekt mit Joanneum Research in Graz nimmt er in dem Berechnungsmodell die Änderungen des Emissionsverhaltens eines Fahrzeugs über dessen Lebensdauer mit auf. Damit wird bestätigt, dass sich neue Antriebstechnologien in der Flotte sehr schnell auswirken, weil die Jahresfahrleistung neuer Pkw im Schnitt viel höher als von Altfahrzeugen ist. Noch viel schneller verbessert jedoch der Einsatz alternativer, umweltfreundlicher Kraftstoffe die Gesamtumweltbilanz, weil der gesamte Fahrzeugbestand davon profitieren kann.

Zwei Szenarien mit unterschiedlichem Betrachtung

Günter Fraidl hat sich in seinem Vortrag die Frage gestellt, welchen Einfluss ein Verkaufsstopp von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf die CO2-Emissionen hätte und dieses hypothetische Szenario einmal einer Tank-to-Wheel-Betrachtung und einmal einer Cradle-to-Grave-Betrachtung unterzogen. Wird die Tank-to-Wheel herangezogen, ist davon auszugehen, dass ein rascher Verkaufsstopp bis 2030 beziehungsweise bis 2045 wie erwartet Reduzierungseffekte bei den Treibhausgasemissionen mit sich bringen würde, jedoch „von der Wiege bis zur Bahre“ betrachtet, würde es im selben Betrachtungszeitraum zu einem vergleichsweise hohen Anstieg beim Energiebedarf kommen, der durch die steigende Zahl an batterieelektrischen Fahrzeugen verursacht wird, die ja geladen werden müssen. Diese Energiespitzen müssten durch den Energiesektor kompensiert werden, was wiederum mehr CO2-Emissionen bedeutet. Demnach müsste bis zu diesem Zeitraum das Angebot erneuerbarer Energien drastisch ausgebaut werden. Andernfalls würde nicht genügend „grüner“ Strom zum Laden von E-Fahrzeugen zur Verfügung stehen und der Energiesektor würde die CO2-Einsparungen der batterielektrischen Fahrzeuge auf der Straße zu Nichte machen.

Wie kommt der Strom denn in den Akku?

Letztlich geht es auch um die Frage der Energieautarkie. Mit Blick auf die Weltkarte wird klar, dass bestimmte Gegenden – darunter auch Europa – im Nachteil sind, wenn es etwa um die Herstellung von Strom aus erneuerbaren Quellen geht. In Afrika oder dem Nahen Osten könne mit dem gleichen Equipment zum Teil zwei bis dreimal so viel Strom aus Sonnenergie erzeugt werden, wie in nördlicheren Gefilden der Erde, sagte Fraidl. In Sachen Windkraft kann im abgelegenen Patagonien (Südamerika) deutlich mehr Strom hergestellt werden als an der Nordsee. Das hängt auch mit begrenzter Fläche und höherer Populationsdichte zusammen. Doch mit der Herstellung des ökologischen Stroms ergibt sich ein weiteres Detail, das berücksichtigt werden muss: Wo wird der Strom von entlegenen Gebieten gespeichert, bis er schließlich in den Akkus der E-Fahrzeuge in Europa ankommt? Für Günter Fraidl ist klar, dass es ohne eine Transformation („Power-to-Liquid“) in E-Fuels, Wasserstoff (H2), Methan oder Methanol nicht gehen wird.

Fazit: Es gibt verschiedene Szenarien, über die sich streiten lässt, doch das absolut schlechteste Szenario, wie auch Dr. Fraidl in seinem Vortrag aufgezeigt hat, ist jenes, wo wir so weitermachen, wie wir es bisher getan haben - mit ir­re­pa­ra­blen Klimafolgen für uns Menschen. An dieser Stelle sollte jedoch erwähnt werden, dass dringend über den Tellerrand geblickt werden muss. Warum? Die Antwort ist schnell gegeben. Unser Planet ist nun mal rund und die Klimakrise ist als globales Problem zu betrachten und zu bekämpfen. David Bothe von Frontier Economics in Köln hat recht, wenn er sagt: Für den Treibhauseffekt zählen alle CO2-Emissionen gleich, egal, wo und wann sie auftreten. CO2-Emissionen einfach in andere Ecken der Welt zu verlagern, sei deshalb nicht des Rätsels Lösung.