Werkstoffe : Lamborghini lässt Verbundwerkstoffproben ins All schießen
Am 2. November startete eine Northop Grumman Antares Trägerrakete, von der Wallops Flight Facility im US-Bundesstaat Virginia. Ihr Ziel, die Internationale Raumstation ISS. Diesmal war auch eine Reihe von Verbundwerkstoffproben an Bord, die von Automobili Lamborghini gefertigt wurden.
Der Start war Teil einer Testkampagne unter der Aufsicht des Houston Methodist Research Institute, die vom ISS U.S. National Laboratory finanziert wurde. Ziel ist es, die Reaktion von fünf verschiedenen von Lamborghini produzierten Verbundwerkstoffen auf die extremen Belastungen durch die Weltraumumgebung zu analysieren und somit Erkenntnisse im Hinblick auf zukünftige Anwendungen bei Fahrzeugen des Fahrzeugherstellers sowie im medizinischen Bereich zu gewinnen. Mittlerweile sind diese bereits auf der ISS eingetroffen und die Untersuchungen konnten nach Angaben des Luxuswagenbauers gestartet werden.
Die Mission, die von Lamborghini kostenlos unterstützt wird, findet zwei Jahre nach Unterzeichnung eines Abkommens statt, das von Stefano Domenicali, Chairman und CEO von Automobili Lamborghini, und Mauro Ferrari, dem damaligen Präsidenten und Chef des Forschungsinstituts und heutigen Präsidenten des European Research Council, geschlossen worden ist.
Mit dieser Vereinbarung wurde ein gemeinsames Forschungsprojekt zur Untersuchung der "Biokompatibilität" von Verbundwerkstoffen ins Leben gerufen, um deren potenzielle Verwendung in prothetischen Implantaten, aber auch in subkutanen Vorrichtungen unter Ausnutzung ihrer besonderen Eigenschaften von Leichtigkeit, Strahlendurchlässigkeit und Strahlenverträglichkeit zu prüfen.
Schwerpunkt des Forschungsprojekts
Konkret nutzen die fünf für das Experiment ausgewählten Proben aus Carbonfaser einige der innovativsten aktuell verfügbaren Technologien. Diese entstammen dem langjährigen Know-how des Unternehmens bei den Hochleistungsverbundwerkstoffen und insbesondere der Forschungs- und Entwicklungsarbeit der Abteilung „Centro Sviluppo Compositi“ (Entwicklungszentrum für Verbundwerkstoffe) und ihres ACLSD-Labors (Advanced Composites and Lightweight Structures Development) am Firmensitz in Sant’Agata Bolognese.
Von besonderem Interesse nicht nur für den biomedizinischen und den Automotive-Bereich ist der im 3D-Druck-Verfahren gefertigte Verbundwerkstoff aus kontinuierlichen Carbonfasern, der es ermöglicht, die extreme Flexibilität der „additiven Fertigung“ mit einer hohen mechanischen Leistung zu kombinieren, die der eines hochwertigen Aluminiums für strukturelle Anwendungen entspricht.
Eine wichtige Rolle im Rahmen des Experiments kommt auch den Verbundwerkstoffen mit unterbrochenen Carbonfasern zu, eine Technologie, in der Automobili Lamborghini seit der Präsentation in 2010 des limitierten Modells „Sesto Elemento“ federführend ist, und die sich mittlerweile in der gesamten Produktpalette des berühmten Automobilherstellers aus Sant’Agata Bolognese etabliert hat.
Abschließend beinhaltet die Versuchs-Charge auch Proben aus Gewebe, das mit Epoxidharz vorimprägniert und in einem Autoklav polymerisiert wurde - eine traditionelle Technologie, die jedoch im Hinblick auf die mechanischen Eigenschaften immer noch gefragt ist.
Die Werkstoffe werden über einen Zeitraum von sechs Monaten an Bord der ISS nicht nur extremen Temperaturzyklen mit Spitzenwerten von -40 bis +200 Grad Celsius ausgesetzt, sondern auch massiven Dosen von ultravioletter Strahlung, Gammastrahlen und dem Fluss von atomarem Sauerstoff, der durch die Ionisierung der höchsten und dünnsten Schichten der Erdatmosphäre durch Sonneneinstrahlung verursacht wird.
Am Ende der Mission werden die zur Erde zurückgekehrten Proben noch einer Reihe von Tests durch Automobili Lamborghini und das Houston Methodist Research Institute unterzogen, um deren Qualitätseinbußen in Bezug auf ihre chemischen, physikalischen und mechanischen Eigenschaften zu bewerten. Für Lamborghini werden die gewonnenen Daten im Hinblick auf einen noch umfassenderen Einsatz moderner Verbundwerkstoffe in der Automobilfertigung von großem Wert sein.