Fahrsicherheit : Darum sollten Sie öfters eine Sonnenbrille im Auto tragen
Dass es sich dabei keinesfalls um eine laxe Behauptung handelt, verdeutlichen die Unfallzahlen aus dem Vorjahr. Durch eine blendende Sonne wurden zwölf Menschen getötet und knapp 2.000 Menschen kamen im Straßenverkehr zumindest bei Unfällen zu schaden, berichtet der Autofahrerklub ÖAMTC.
"Wenn die tiefstehende Herbstsonne fast waagrecht durch die Windschutzscheibe fällt, ist die Gefahr der Blendung sehr groß“, weiß ÖAMTC-Psychologin Marion Seidenberger. Das kann zum Übersehen von Mitverkehrsteilnehmern, Lichtsignalen von voranfahrenden Fahrzeugen sowie Verkehrszeichen an Straßen- oder Eisenbahnkreuzungen führen. Gegenstände, Tiere oder Personen sowie Bodenmarkierungen auf oder knapp neben der Fahrbahn können zu spät oder gar nicht wahrgenommen werden.“
Besonders nach Brücken oder nach Tunnelausfahrten werden wesentliche fahrbezogene Dinge später oder gar nicht gesehen. Verstärkt wird der Effekt durch nasse Fahrbahnen, die das Sonnenlicht reflektieren. Das kann dann auch die Fahrspureinhaltung erschweren. Hingegen der gängigen Praxis empfiehlt es sich, insbesondere nach längeren Tunnelfahrten, nicht sofort aufs Gas zu steigen - und sozusagen „blind“ darauf los zu rasen -, sondern dem Auge Zeit zu geben, sich an die veränderten Lichtverhältnisse wieder zu gewöhnen. Auch die Sonnenbrille sollte bestenfalls griffbereit liegen.
Von einer Sichtbehinderung durch eine tiefstehende Sonne ist kein Verkehrsteilnehmer gefeit. Auch Fußgänger und Radfahrer können geblendet werden und dadurch Sicherheitseinrichtungen, Lichtsignale und andere Verkehrsteilnehmer übersehen oder Situationen falsch einschätzen. "Besondere Vorsicht gilt daher für alle im Bereich von Kreuzungen, Fußgängerampeln, Zebrastreifen, in Wohnstraßen, nahe Schulen, Kindergärten sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen", betont die Expertin.
Sonnenlicht wirkt „ermüdend“
Sonnenlicht benötigen wir, um lebenswichtiges Vitamin D12 zu erzeugen. Schon alleine deshalb ist ein häufiger Aufenthalt im Freien anzuraten, da es sonst zu Mangelerscheinungen kommen kann. Doch wo gleißendes Sonnenlicht auf der Parkbank vielen Menschen Glücksgefühle beschert, wirkt es beim Autofahren eher ermüdend.
Die Sonnenbrille im Fahrzeug griffbereit zu haben, kann deshalb nicht von Nachteil sein. Der Grund ist, dass wir unsere Augen bei Sonneneinstrahlung unwillkürlich zusammenkneifen, um die helle, teils grelle Umgebung besser wahrzunehmen. Ein kaum merklicher Reflex, der den Körper jedoch belastet und besonders Menschen mit lichtempfindlichen, hellen Augen zu schaffen macht.
Wenn ich im Sommer ohne Sonnenbrille hinter dem Steuer sitze, bin ich nach einer Dreiviertelstunde so kaputt wie normalerweise nach drei Stunden“, sagt Thorsten Rechtien, Kfz-Experte bei TÜV Rheinland. „Eine Sonnenbrille ist für jeden Autofahrer absolut empfehlenswert. Ob besonders lichtempfindlich oder nicht. Jeder wird in heller Umgebung beim Aufsetzen einer Sonnenbrille merken, wie sich die Gesichtszüge entspannen. Außerdem wird die generelle Blendgefahr durch direktes Sonnenlicht natürlich erheblich abgemildert.“
UV-Filter als Mindestvoraussetzung
Bei der Wahl der Sonnenbrille sollte ein UV-Filter Mindestvoraussetzung sein. Denn mit getönten Gläsern neigen viele Autofahrer dazu, auch mal direkter in die Sonne zu schauen, was ohne UV-Schutz den Augen schadet. Selbsterklärend ist, dass Brillenträger darauf achten müssen, dass die Sonnenbrille ebenfalls über die benötigte Sehstärke verfügt. Bei tiefstehender Sonne oder hügeliger Landschaft sollten trotz Sonnenbrille außerdem die Sonnenblenden im Fahrzeug heruntergeklappt sein, da diese den Fahrer zusätzlich vor direktem Sonnenlicht schützen.
Im Straßentunnel Brille absetzen
So hilfreich Sonnenbrillen in heller Umgebung sind, so ungeeignet sind sie, wenn sich die Lichtverhältnisse ins Gegenteil verkehren. Vor Tunneln oder Tiefgaragen sollte die Sonnenbrille abgesetzt werden. „Das diffuse Licht in solchen Bauten ist ein starker Kontrast, an den sich die Augen ohnehin erst gewöhnen müssen.
Eine Sonnenbrille verschärft diesen Kontrast und macht die Umgewöhnung nur noch schwerer“, erklärt Rechtien. Außerdem ratsam: Die Sonnenbrille nicht ungeschützt im Auto liegen lassen, um das Erhitzen durch die Sonne zu vermeiden. Wer zur heiß gewordenen Brille während der Fahrt greift, erschrickt sich und ist abgelenkt.
Getönte Scheiben nur bedingt sinnvoll
Bereits seit 20 Jahren gehören getönte Scheiben zur Standardausstattung von Pkw. Hersteller verbauen in Fahrzeugen bereits Glas, das über eine leichte Grüntönung verfügt. Daneben sind auch graue und blaue Varianten erhältlich, die für einen besseren Hitzeschutz gegenüber Klarglas sorgen. „Normales, kostengünstigeres Grünglas lässt etwa 70 Prozent der Wärme ins Fahrzeuginnere", erklärt Volkmar Offermann vom Autoglashersteller Saint-Gobain Sekurit. Eine sogenannte Privacy-Verglasung ist deutlich effektiver "Damit erreicht man Werte von 30 bis 40 Prozent."
Rechtlich ist der Einsatz von Privacy-Glas jedoch nicht überall am Fahrzeug erlaubt. Genau genommen ist das nur für die Verglasung ab der B-Säule zulässig. So dürfen die vorderen Seitenscheiben und die Frontscheibe nicht zusätzlich getönt werden, „denn bei diesen Scheiben muss die Lichtdurchlässigkeit bei direkter Sicht immer mindestens 70 Prozent betragen“, erklärt Manfred Schwab vom Dekra Technology Center in Klettwitz.
Auch stark getönte grüne Sonnenstreifen für die Frontscheibe, wie es sie zum Teil im Zubehörhandel gibt, sind in Deutschland nicht erlaubt, warnt Schwab. Der Grund: Wer direkt unter einer Ampel wartet, sieht die Lichtzeichen durch den grünen Streifen nicht mehr eindeutig genug. Wer sein Fahrzeug mit Privacy-Glas nachrüsten will, kann die Scheiben beim Autoglaser austauschen lassen oder mit Folie bekleben.
Die Scheiben zu lackieren oder in einem Tauchverfahren zu tönen, ist nicht erlaubt, erklärt Thomas Klein vom deutschen Bundesverband der Autoglaser. Er warnt auch davor, nicht zugelassene Billigfolien zu verwenden: Diese schützen sehr wahrscheinlich nicht mal vor einem Sonnenbrand. Vielversprechender ist eine entsprechende Wärmeschutzverglasung.
Die wichtigsten Tipps bei blendender Sonne
Sonnenschutz: Sonnenbrille und Sonnenblenden schützen vor dem grellen Licht. Die Sonnenbrille sollte bei strahlendem Sonnenschein bereits vor Fahrstart verwendet werden oder griffbereit liegen. Vorausschauend fahren: "Wer auf sich ändernde Lichtverhältnisse und mögliche Blendungen gefasst ist, kann das Tempo rechtzeitig reduzieren und den Sichtverhältnissen anpassen", erklärt ÖAMTC-Psychologin Marion Seidenberger.
An Kuppen und vor Kurven muss man damit rechnen, dass sich die Lichtbedingungen schlagartig ändern - deshalb vorsichtig herantasten und sich auf seine Spur konzentrieren. Abstand halten, Tempo reduzieren: Ein zu geringer Abstand zum Vordermann erhöht das Risiko von Auffahrunfällen. Wer nur für eine Sekunde nichts sieht, legt bei Tempo 50 bereits 14 Meter im Blindflug zurück. Bei 130 Stundenkilometer sind es 36 Meter, was in etwa der Länge von zwei Sattelschleppern entspricht.
Nicht ablenken lassen: Bei schwierigen Sichtverhältnissen Ablenkungen während der Fahrt unterlassen. "Sich via Ansage vom Navi leiten lassen; auch auf Gespräche über eine Freisprecheinrichtung sollte man bei schwierigen Verhältnissen verzichten. Da ist volle Konzentration auf die Straße gefragt", betont die Expertin. Saubere Innen- und Außenscheiben: Ordentlich gereinigte Windschutzscheiben und Helmvisiere sowie gut funktionierende Wischerblätter sind für eine gute Sicht besonders wichtig.
Trifft das Licht auf schmutziges, nicht fettfreies Glas, wird der Lichtstrahl stärker gebrochen und der Blendeffekt verstärkt. Außerdem ist auf ausreichend Wasser inklusive Reinigungsmittel im Scheibenwischertank zu achten. Blendung von hinten: Blendung kann auch eine Gefahr sein, wenn man die Sonne "im Rücken" hat. "Getönte Heckscheiben helfen wenig, weil man auch in den Spiegeln nichts sieht", so Seidenberger.
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