Forschung : Bitumen mag Sonneneinstrahlung nicht

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Es ist ein bisschen so wie mit unserer Haut. Extreme Sonneneinstrahlung - gerade über eine längere Zeit - verträgt unsere Haut in der Regel nicht besonders gut. Je heller die Haut, desto extremer. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Asphalt. Wenn das Bitumen in der Straße altert, kann es seine Eigenschaften verändern und spröde werden, wodurch letztendlich der Asphalt Risse bildet. An der TU Wien forscht man im 2020 eingerichteten "Christian-Doppler-Labor für Chemo-Mechanische Analyse von bituminösen Materialien" daran, diese Prozesse besser zu verstehen und Asphalt langlebiger zu machen.

Überraschender Effekt, per Zufall

Durch Zufall stieß Johannes Mirwald (Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien) dort nun auf einen überraschenden Effekt: Anders als bisher gedacht kann sichtbares Licht im blauen und grünen Bereich das Bitumen verstärkt altern lassen – und zwar innerhalb kürzester Zeit. Diese lichtbedingte Veränderung im Bitumen wurde nun an der TU Wien genau untersucht, bei künftigen Forschungen und Lebensdauer-Abschätzungen muss jedenfalls auch die Sonneneinstrahlung mitberücksichtigt werden. "Das Forschungsprojekt begann mit einigen merkwürdigen Beobachtungen, die sich zunächst niemand erklären konnte“, erzählt Professor Bernhard Hofko vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien. "Bei uns im Labor lagen Bitumen-Proben in Glasbehältern herum – und bei näheren Untersuchungen stellen wir fest, dass sich ihre Oberfläche nach sehr kurzer Zeit verändert hatte."

Solche Veränderungen hätte man vielleicht bei hohen Temperaturen erwartet – nicht aber bei Zimmertemperatur im Labor. Auch intensive UV-Strahlung käme als Erklärung für solche Veränderungen in Betracht, doch das Glas sollte eigentlich einen Großteil der UV-Strahlung absorbieren und nur den sichtbaren Anteil des Sonnenlichts durchlassen. „Wir beschlossen also, uns diese merkwürdige Sache mit Spezialmikroskopen näher anzusehen“, sagt Bernhard Hofko.Bitumen-Proben wurden ganz gezielt beleuchtet, mit unterschiedlichen genau definierten Lichtfarben – vom langwelligen Rot bis in den kurzwelligeren UV-Bereich.

"Bisher nahm man an, dass das hochenergetische UV-Licht den stärksten Einfluss auf die Alterung von Bitumen hat. Von sichtbarem Licht erwartete man keinen nennenswerten Effekt", sagt Johannes Mirwald. Doch die Messungen zeigten deutlich: Bei allen untersuchten Lichtwellenlängen waren bereits nach 15 bis 20 Minuten Veränderungen der Bitumen-Oberfläche nachzuweisen. Der stärkste Effekt tritt zwar tatsächlich im UV-Bereich auf, doch die Auswirkungen von sichtbarem Licht sind ähnlich drastisch – mit einem zusätzlichen Maximum im Wellenlängenbereich von blauem und grünem Licht. Berücksichtig man nun die Lichtbedingung auf der Erdoberfläche und den Einfluss der Atmosphäre, wodurch UV-Licht deutlich stärker abgeschwächt wird als blaues oder grünes Licht, zeigt sich, dass blaues Licht die meiste Alterung auf den Straßenoberflächen verursacht.

Oxidation an Rissen schuld

Das Licht beschleunigt die Oxidation des Materials – und wenn Bitumen oxidiert, verändern sich seine mechanischen Eigenschaften. Es wird steifer und damit auch rissanfälliger. "Die Oxidation unter Einwirkung von Licht findet zunächst nur in den obersten Schichten des Materials statt – in den äußersten Mikrometern der Bitumen-Probe", sagt Johannes Mirwald. "Doch das ist bloß die Initialzündung für einen weitreichenden Effekt: Kleine Risse sorgen dafür, dass Sauerstoff tiefer in das Material eindringen kann, im Inneren des Materials entstehen Spannungen, die Risse werden tiefer und schließlich kann das zu einer nachhaltigen Schädigung des Asphalts führen."

Bisher wurden Alterungsexperimente mit Bitumen hauptsächlich im Dunkeln durchgeführt – das wird sich nun ändern. "Unsere Messungen zeigen: Wenn man die Haltbarkeit von Asphalt vorhersagen möchte, dann muss man jedenfalls auch die Sonneneinstrahlung berücksichtigen", betont Bernhard Hofko. Wo die Sonneneinstrahlung besonders hoch ist, hat man es außerdem meist auch mit hohen Temperaturen zu tun, das verstärkt den Effekt zusätzlich."Es ist ein absolut verblüffendes Ergebnis, mit dem niemand gerechnet hatte – so etwas passiert in der Forschung nicht oft", sagt Bernhard Hofko. Für die Wissenschaft vom Straßenbau wird diese neue Erkenntnis jedenfalls wichtige Änderungen mit sich bringen.