Soundtechnik : Motor-Sound bis die Auspuffschelle wackelt

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© Eugene Put - stock.adobe.com

Früher war das Fehlen eines dicken Remus-Auspuffs mit aufallender Auspuffblende für Endrohr-Fetischisten undenkbar. Im Gegenteil bestenfalls war der Auspufflack auch noch eine schön knallige Auspufffarbe. Mittlerweile sieht die Sache etwas anders aus: Getunt wird dezent, und wenn nicht, dann zumindest zurückhaltender als einst. Die Gesetzlage will es schließlich so – ein dröhnendes Auspuffrohr ist dabei ebenfalls so wenig gefragt, wie ein wackeliger Auspufftopf. Doch mickrige rostig braune Abwindröhrchen sind trotzdem nicht gefragt, nein sogar verpönt bei Autoliebhabern jeder Altersklasse.

Motorsound für Elektroautos

Autohersteller haben sich deshalb ordentlich ins Zeug gelegt, um den lieben Schein zu wahren. Selbst Kompaktklassen steht unter Aufpreis nun ein Doppelrohrimitat zur Verfügung, welches unterm Heck hervorblitzt. Selbst bei fehlenden Pferdestärken kann man in Kombination mit einem sportlichen Fahrwerk sogar ein wenig Rallyegefühl verspüren. Auditive Auswirkungen hat so ein Fake aber nicht. Wenn es ums Auditive geht, dann bieten heute gewiefte Soundingenieure den Autoherstellern ihre Dienste an, die für den richtigen (künstlichen) Sound sorgen.

Gerade Elektroautos haben diese Dienste dringend nötig, denn gepflegte, armdicke Auspuffendrohre, wo ordentlich Auspuffqualm in weißen Schwaden und Schallwellen entweichen, sind hier Fehlanzeige. Das auditive Motorenimitat wird vielmehr künstlich erzeugt, denn der Vortrieb kommt ja aus Batterien und nicht mehr aus Kraftstoff verbrennenden, krachmachenden Zylindermotoren. Somit müssen die Frequenzen künstlich nachgeahmt werden.

Genaueste Vorgaben zum Sound

Das macht die Sache kompliziert, denn normalerweise klingt jeder Automotor anders. Ein guter Klang muss abgestimmt auf den Fahrzeugtyp und die Motorart angepasst werden. Außerdem haben auch Volumen und die Anzahl der vorhandenen Zylinder darauf Einfluss, wie satt ein Motor mit seiner Auspuffanlage klingt. Natürlich blubbert ein V8 anders wie ein sparsamer Vierzylinder.

Außerdem ist zu beachten, dass das Innengeräusch bei den Fahrzeugmodellen durchaus unterschiedlich sein kann, das Außengeräusch pro Marke soll jedoch einheitlich sein. Hier muss man sich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben bewegen. Die schreiben etwa vor, dass sich die Grundfrequenz mit der Geschwindigkeit verändern muss, damit etwa auch Blinde erkennen können, dass es sich um ein fahrendes Auto handelt.

Für ein E-Auto gelten wieder etwas andere Gesetze, denn ein natürliches Motorgeräusch gibt es hier nicht. Abgesehen von möglichen Personalisierungen beim Sound soll aber natürlich auch jede Marke ihren charakteristischen Ton erhalten. In jedem Fall muss der Sound die Geschichte der Marke widerspiegeln. Gerade im Highend-Bereich eröffnet sich für die Soundingenieure eine große Spielwiese, auf der sie die Grenzen ausloten und sogar vor Zusammenarbeiten mit namhaften Komponisten nicht zurückschrecken. Ein Beispiel ist der US-Blockbuster-Komponist Hans Zimmer, der für den neuen BMW i4 zum Mischpult gebeten wurde. Audi holte sich den Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason ins Boot, um an akustischen Auftritt des Audi R8 e-tron zu feilen und Mercedes AMG hatte bereits bei der irischen Band U2 vorgefühlt, wie der Klang des AMG SLS electric drive aussehen könnte.

Kerniger Markensound gefragt

Allein beim bayerischen Premiumhersteller sind es 250 Mitarbeiter die allein dafür zuständig, Karosserien, Motoren, Getriebe, Fahrgestelle und Abgasanlagen möglichst leise zu machen. Die Sounddesigner heben dann genau jene Töne hervor, die gehört werden wollen – etwa ein kraftvoller Motorsound, der möglichst bassig und brummig und in den Höhen schön bissig klingt.

Die Illusion ist erst nach zahlreichen Entwicklungsstunden nahezu perfekt. Vor allem bei dem, was man im Cockpit hören soll, sind der Kreativität an sich keine Grenzen gesetzt. Die Töne müssen ohnehin unabhängig vom eigentlichen Geräusch des Motors künstlich erzeugt werden."Sounddesign wird immer wichtiger", erklärt Ercan Altinsoy, Lehrstuhlleiter Kommunikationsakustik der Technischen Universität Dresden.

Seit den Neunzigerjahren habe sich die Mitarbeiterzahl im Bereich der sogenannten „Noise Vibration Harshness" bei den Autobauern vervielfacht. "Allein Porsche will dieses Jahr so viele Sounddesigner einstellen", verrät er, "dass wir mit dem Ausbilden kaum hinterherkommen. Neben den notwendigen Spezialisten ist aber auch die Aufgabe, den kernigen Markensound auf ein Elektrofahrzeug nicht einfach. BMW setzt für jeden Fahrzeugtyp speziell abgestimmte Abgasanlagen ein, um eine gezielte akustische Auslegung zu erhalten. „Die Auslegung soll komfortabel im unteren Drehzahlbereich klingen und kräftig, dynamisch, sportlich im mittleren und oberen Drehzahlbereich“, sagt Christian Stempel, Leiter Entwicklung Luftschallakustik, Sound Design und Aeroakustik bei BMW.

Neben den Schwierigkeiten, mit einem einheitlichen Sounddesign die in Europa, USA und Asien divergierenden gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen und dabei auch die gesamte Modellfamilie einer Marke abzudecken, gibt es noch eine weitere Herausforderung. Das Außengeräusch klingt bei tiefen Temperaturen anders, als bei hohen. Es muss aber im Serienauto beim Einsatz am Polarkreis genauso innerhalb der Vorgaben bleiben, wie in den Tropen.

Langsame Fahrt, lauterer Ton

Das vergangene Jahr brachte für Autofahrer zahlreiche Neuerungen mit. So trat in Österreich eine Novelle zum automatisierten Fahren in Kraft. Sie erlaubt Einparkhilfen, für die man nicht mehr im Auto sitzen muss. Der Lenker oder die Lenkerin muss sich aber „in Sichtweite zum Fahrzeug befinden“ und im Notfall eingreifen können. Auch freihändiges Fahren auf Autobahnen und Schnellstraßen mit „Autobahnpilot“ mit automatischer Spurhaltung soll damit gestattet werden. Derzeit, erklärt Friedrich Eppel vom Autofahrerclub ÖAMTC, gebe es jedoch ohnehin nur Assistenzsysteme, die den Lenker nicht der Verantwortung entheben.

Zudem trat mit Anfang Juli 2019 eine Typengenehmigungsverordnung der EU in Kraft. Diese Verordnung aus dem Jahr 2014 behandelt die Notwendigkeit für Elektroautos, Geräusche hervorzubringen. Ab dann muss EU-weit in jedem neu typisierten E-Auto eine akustische Warneinrichtung eingebaut sein, und zwar bis zur Geschwindigkeit von Tempo 20. Darunter, also beim Anfahren, Ein- und Ausparken sowie in Begegnungszonen, sind E-Autos einfach zu leise. Ab einem Tempo von rund 30 Stundenkilometern machen Reifenabrieb und Wind genügend Geräusche.