Tesla : Der Elektro-Trump

© Brian Solis

Elon Musk mag nicht viel mit Donald Trump gemeinsam haben. Bis auf eines: dokumentierte Verhaltensauffälligkeit auf Twitter. So wie der US-Präsident bevorzugt in Versalien seine Twitter-Tiraden abfeuert und damit sich selbst und zuweilen auch seine eigene Administration in Schwierigkeiten bringt, hat sich auch Musk scheinbar entschieden, sich über den Kurznachrichtendienst selbst zu demontieren und sein eigenes Unternehmen gegen die Wand zu fahren. Und 22,5 Millionen Follower sehen ihm dabei zu.

Mitte August fragte die "New York Times" schon ganz besorgt, wie wohl der Geisteszustand von Musk zu bewerten sei. Acht Tage zuvor hatte Musk angekündigt, Tesla von der Börse nehmen zu wollen. Natürlich auf Twitter. Die Finanzierung des Delistings, so Musk, sei "gesichert". War sie offenbar doch nicht.

Nun ermittelt die Börsenaufsicht SEC gegen den Tesla-Gründer und prüft, ob er überhaupt berechtigt war, das Delisting so anzukündigen und nicht seinen Aktionären geschadet habe, als er vollmundig die Finanzierung als "gesichert" bezeichnete. Viele Tesla-Aktionäre hatten damals Aktien zugekauft, der Kurs schoss kurzzeitig so in die Höhe, dass der Handel mit den Tesla-Papieren ausgesetzt wurde. Am 24. August nahm Musk die Ankündigung wieder zurück. Der Deal hätte bei einem Preis von 420 US-Dollar pro Aktie rund 72 Milliarden US-Dollar gekostet.

Vier Wochen nach der Ankündigung, Tesla zu delisten, ist das Unternehmen an der Börse rund 30 Prozent weniger wert als noch vor einem Monat. Musks Chef-Buchhalter Dave Morton hat erst dieser Tage seinen Job wieder geschmissen - nach nur einem Monat bei dem Autobauer. Auch die Personalchefin Gabrielle Toledano warf mittlerweile das Handtuch.

Musk, mit 47 Jahren unter den arrivierten Autokonzern-Chefs dieses Planeten vergleichsweise juvenil, war jahrelang der beste Makler seiner eigenen Vision: schon visuell mit seinen Sportschuhen und Jeans ein Gegenkonzept zur fossilen Fraktion mit ihren meist in feinste Anzüge gekleideten Managern, reifte er zu einer Marke wie Tesla selbst - und beide Marken stärkten einander. Tesla steht heute für Elektromobilität und damit für eine durchaus notwendige technologische Neuorientierung in der Autobranche. Ohne einen Rampenlichtsucher und Marketinggurus wie Musk wäre Elektromobilität vielleicht heute noch spleeniges Hobby einiger Bastler als Markt.

Im Silicon Valley ist die Personalisierung von Marken nicht ungewöhnlich. Tim Cook ist Apple, Mark Zuckerberg ist Facebook und Sundai Pichai Google. Wer einen charismatischen Chef hat, ist auch gut beraten, ihn als Markengesicht aufzubauen. Und ganz ehrlich: welcher Renault-Fahrer weiß schon, wie der CEO der Automarke seines Vertrauens heißt und welcher Volvo-Fahrer würde beim Starten seines Fahrzeugs sofort an Martin Lundstedt denken. Bei Volkswagen gestaltete sich der CEO-Quiz seit Beginn des Dieselskandals noch schwieriger.

Die CEOisierung eines Unternehmens hat Vorteile und erspart einiges an Werbegeld. Aber sie ist auch mit einem hohen Risiko verbunden. Wenn der Chef am Rad dreht, stehen alle Räder still. Bei Elon Musk ist dieser Fall nun eingetreten. Vor wenigen Tagen kursierten Fotos von Musk bei der Aufnahme eines Podcasts. Für Musk war es eher ein Potcast: Musk zog offenbar während des Interviews genüsslich an einem Joint. Das mag man heute nicht grundsätzlich als verwerflich empfinden, doch reiht sich das öffentliche Kiffen ein in eine Reihe anderer Vorfälle, die Musk plötzlich angeschlagen wirken lassen. In einem Interview mit der "New York Times" beklagte er die hohen persönlichen Opfer, die er erbringen muss: "Es gab Zeiten, da habe ich die Fabrik drei oder vier Tage lang nicht verlassen". Auch zu seinem 47. Geburtstag am 28. Juni sei er in der Fabrik gewesen und arbeitete: "Die ganze Nacht. Keine Freunde, gar nichts." Mitarbeiter haben kürzlich erzählt, wie Musk manchmal unter einem Schreibtisch schläft.

Das letzte Mal sei er 2001 länger als eine Woche nicht im Büro gewesen. Damals war er an Malaria erkrankt.

Die Verausgabung von Musk ist verständlich, aber sie ist auch ein Symptom für die organisatorischen Schwächen des Unternehmens. Ein CEO, der zeitweise, wie er meint, 120 Stunden in der Woche arbeitet, hat wohl Fehler beim Management gemacht. Nun hat Musk ein neues Management-Team berufen. Es soll wohl auch die Arbeitsbelastung vom Chef nehmen.

Den Tweet, in dem er das Delisting von Tesla ankündigte, hat Musk übrigens ohne Einfluss bestimmter Substanzen geschrieben. Marihuana sei "schlecht für die Produktivität", so Musk. Das immerhin beruhigt. Denn den Tweet hat Musk abgesetzt, als er auf dem Weg zum Flughafen war. Im Auto.