Elektromobilität : Drittes Quartal zeigt kaum Auswirkungen bei E-Auto-Boom
Im Vergleich zum dritten Quartal des Vorjahres wurde zwar ein Rückgang bei den Neuzulassungen von Elektroautos verbucht, aber kein gravierender, wie die statistischen Daten zeigen: Dieser liegt bei 0,1 Prozent. Generell gilt für Europa, dass sich die Elektro-Transformation der Autobranche trotz angespannter Wirtschaftslage unvermindert fortsetzt. Die hohe Nachfrage nach Elektroautos und die daraus resultierend vollen Auftragsbücher könnten die drohende Rezession der Branche abmildern. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen "Electric Vehicle Sales Review" von PwC Autofacts und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 14 ausgewählten Märkten ausgewertet werden.
Im dritten Quartal 2022 wurden demnach weltweit 74,7 Prozent mehr reinelektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Im zweiten Quartal 2022 hatte das Wachstum noch bei lediglich 61,7 Prozent gelegen. Zugleich bauten BEVs ihre Anteile in fast allen Kernmärkten aus und könnten bereits 2035 weltweit mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen ausmachen. In China könnte ihr Anteil dann bei 73 Prozent, in Europa bei sogar 93 Prozent liegen.
Europa entwickelt sich vom Exporteur zum Importeur von Autos
Während chinesische Hersteller immer mehr BEVs in Europa verkaufen, verlagern sowohl europäische als auch amerikanische Hersteller ihre BEV-Produktion zunehmend nach China – und verschieben die Rolle Europas vom Exporteur zum Importeur von Autos. Bereits 2025 könnten in Europa knapp 800.000 Autos aus chinesischer Produktion verkauft werden, davon mehr als 330.000 von Marken europäischer Hersteller. Noch im vergangenen Jahr hatten europäische Hersteller lediglich 35.000 BEVs aus China nach Europa exportiert. Für 2022 prognostiziert die Studie mit 66.000 BEVs bereits eine Verdopplung. Diese Entwicklung führt dazu, dass Europa 2025 bereits einen Importüberschuss von mehr als 221.000 Fahrzeugen (Verbrenner und Elektroautos) erreichen könnte. Noch vor wenigen Jahren verzeichnete Europa einen Exportüberschuss mit Autos – 2015 lag dieser bei knapp 1,7 Millionen Fahrzeugen.
"Die europäischen Hersteller kämpfen nach wie vor mit Lieferschwierigkeiten und setzen vor allem auf BEV-Modelle im oberen Preissegment. Die chinesischen Hersteller haben ihre Produkte dagegen im heimischen Markt optimiert und weiterentwickelt, sodass sie inzwischen günstige BEV-Modelle, innovative Technologie und neuartige Konzepte nach Europa bringen. Als Ergebnis sehen wir, dass es kein europäisches Modell in die Top 5 der meistverkauften E-Autos weltweit schafft", sagt Johannes Schneider, Partner bei Strategy& Österreich. "Um ihre Strukturen zu halten, das Momentum der Elektro-Transformation für sich zu nutzen und weiterhin von Skaleneffekten zu profitieren, müssen die europäischen OEMs deswegen jetzt dagegenhalten und ihre Lieferketten unter Kontrolle bekommen sowie ihre Entwicklungs- und Anlaufprozesse im In- und Ausland beschleunigen."
China wird zum E-Auto-Exporteur
Der europäische Automobilmarkt erlebt eine wachsende Konkurrenz durch chinesische Hersteller. Obwohl diese in Europa bislang nur eine untergeordnete Rolle spielen, könnten sie 2030 etwa fünf Prozent des europäischen BEV-Marktanteils erobert haben. In Österreich stieg die Anzahl an vollelektrischen Fahrzeugen im dritten Quartal um 9,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum an. Seit Beginn des Jahres hat die Zahl der neuzugelassenen BEVs verglichen mit dem Jahr zuvor allerdings leicht nachgelassen und einen Rückgang von 0,1 Prozent verzeichnet. Insgesamt wurden seit Jänner 24.104 vollelektrische Fahrzeuge in Österreich neu zugelassen – ihr Marktanteil liegt damit aktuell bei 14,8 Prozent. Bereits 2025 für Österreich mit 5.216 Autos ein Importüberschuss im Autoabsatz erwartet.
"Wir beobachten momentan, wie der Automobilstandort Europa gleich von mehreren Seiten unter Druck gerät", analysiert Günther Reiter, Automotive Leader bei PwC Österreich. "Neben den gestörten Lieferketten machen den Herstellern in Europa vor allem die gestiegenen Energiepreise zu schaffen. Hinzu kommt ein geopolitisches Umfeld, in dem Staaten wieder aktiv Industriepolitik betreiben, um bestimmte Branchen zu fördern und Lieferketten zu lokalisieren, wie wir es etwa in den USA mit dem Inflation Reduction Act (IRA) sehen. Umso entscheidender ist es nun, eigene und autarke europäische Wertschöpfungsketten auszubauen und wichtige Rohstoffketten abzusichern."