Handwerk : Warum Autohersteller auf eigenen Schmuck und Mode setzen
Das äußere Erscheinungsbild einer Automarke ist letztlich das, was die Marke als solches prägt. Was sie auszeichnet, wertvoll oder billig anmuten lässt. Das Produktdesign hat einen entsprechend hohen Stellenwert für das Markenimage. Kunden sollen sich mit der Automarke identifizieren, eine Markentreue etablieren. Die Begeisterung hört im besten Fall nicht nur beim Exterieur eines Fahrzeugmodells oder seiner Motorleitung auf. Die Wahl der verwendeten Materialien im Interieur spielt nicht nur für den Verkaufspreis eine Rolle. Dem Kunden, der das Innere des Fahrzeugs nicht nur mit den Augen begutachtet, sondern auch mit den Händen (Haptik) und über den Geruch wahrnimmt, soll ein besonderes Erlebnis geboten werden, wenn er in das Auto einsteigt.
Nicht umsonst hat die Bedeutung des Interieurs in den letzten Jahren zugenommen – alleine schon wegen dem Einsatz modernster Technologie im Cockpit. Der Entwicklungsaufwand ist in diesem Bereich erheblich gestiegen. Insbesondere jene Autohersteller, die über eine lange Tradition verfügen, machen ihre Position mittels ausgesuchter Materialien deutlich. Doch auch außerhalb des Fahrzeugs versuchen sie ihre Position mittels Lifestyle-Produkten verstärkt zu festigen und erschließen zugleich eine weitere lukrative Einnahmequelle. Doch auch jüngere Autohersteller haben das bereits früh erkannt.
Mode zur Kundenbindung
Ein gutes Beispiel ist die Marke Cupra, die mittlerweile nicht mehr nur die Premium-Sportlinie von Seat ist, sondern auch mit eigenen Modellen ihren Weg gehen will. Das erste Modell, der Hybrid-SUV Cupra Formentor, drehte bereits auf Mallorca seine ersten Runden. Auf heurigen Automobilmessen, wie der Vienna Autoshow oder dem Genfer Autosalon, wurde die eigene Mode- und Schmuck-Linie verstärkt in den Vordergrund gerückt. Hier ein T-Shirt mitsamt dem Logo, dort eine trendige Sporttasche, ein Armband oder eine Sonnenbrille. Der Kreativität sind praktisch keine Grenzen gesetzt.
„Automobilhersteller sehen heutzutage keinen Grund, wieso der Lifestyle, den sie präsentieren, in dem Moment enden soll, in dem ein Autobesitzer aus dem Auto steigt“, sagt Zak Patel, Geschäftsführer des englischen Schmuck- und Accessoire-Herstellers Pugata im Gespräch mit FIRMENWAGEN. Das Unternehmen, dessen Name eine Zusammensetzung aus den Elementen des Periodensystems Gold (Au), Silver (Ag) und Platinum (Pt) ist, sieht Potenzial in diesem Marktsegment.
„Im automobilen Sektor wird es jetzt als bedeutsam angesehen, mehr zu tun, als nur Autos zu bauen“, betont Patel. „Die Kernprodukte sind natürlich weiterhin unerlässlich, aber die großen Marken bedienen nun auch eine potenzielle Kundschaft, die Zugang zu einem luxuriösen Lebensstil als Teil der Kaufentscheidung sucht“, so Patel. Aktuell arbeitet Patels Unternehmen mit dem britischen Edel-Auto-Tuner Kahn Design an einer Reihe von Lifestyle-Produkten, mitsamt namhafter Edelschmieden wie Ferrari, Porsche, Bentley und Bugatti.
„Fürs Erste beschränken die großen Automobilmarken ihr Angebot hauptsächlich auf Objekte die direkt mit den Fahrzeugen verbunden sind, während gelegentlich exklusive ‚automobile Accessoires‘ angeboten werden“, erklärt Patel. Das diene aber hauptsächlich dazu, nicht den Anschluss an eine aktuelle Entwicklung zu verpassen. In Zusammenarbeit mit Kahn Design bietet Pugata bereits eine Bandbreite, darunter Mode- und Schmuckstücke an, wie Kapuzenpullover, Jacken und edle Zeitmesser an. Wie tief Fans von Luxuswagen dabei schon mal in Tasche greifen müssen, beweist Bugatti. Laut Patel können Kunden Kugelschreiber für über 2.500 britische Pfund kaufen, während Zeitmesser sogar 20.000 kosten können.
Beispiele gibt es viele
Porsche Design entwirft für Besitzer von Heritage-Design-Fahrzeugen beispielsweise Zeitmesser und setzt dabei auf wertige Materialien. „Charakteristisch für diese Serie ist die unterschiedliche Verarbeitung des Werksstoffs Titan und eine jeweils eigene, Porsche Design-typische Chronographen-Funktion“, erklärt Gerhard J. Novak, General Manager Porsche Design Timepieces. „Zusammen mit speziell interpretierten Mustern wie Pepita oder Tartan ergibt sich so eine einzigartige Uhren-Sammlung, die der Markengeschichte Tribut zollt“.
Ferrari hat durch den Verkauf von Merchandise-Produkten, online und in den eigenen Läden, weltweit bereits große finanzielle Erfolge eingefahren. Maserati wiederum, wie auf dem Genfer Automobilsalon 2019 zu sehen war, arbeitet mit dem italienischen Modehersteller Ermenegildo Zegna zusammen. Von Schuhwerk bis hin zu Polo T-Shirts und darüber hinaus, reicht die Bandbreite bereits.
Wer glaubt, dass für den Schöpfungsprozess automobiler Mode- und Schmuck-Artikel nur ein kleines Team notwendig ist, der irrt. „Unser Team besteht aus Produktdesignern, 3D-Modellierern, Bildhauern, Grafikdesignern und Ingenieuren, die unzählige Stunden an Entwicklungszeit und Veredelung für Kunden stecken, die ein ideales Produkt wollen“, betont Pugata-Chef Patel.
Rare Handwerke sehr gefragt
Doch nicht nur Juweliere, auch Buchbinder und Autodesigner haben mehr gemeinsam, als gemeinhin angenommen. Denn wie beim Buchbinden, ist beim Gestalten eines Autos trotz moderner Technologie Handarbeit gefragt. Ideen werden in beiden Branchen zuerst in Form von Bildern und Notizen auf Papier skizziert. Das Design eines Autos entsteht dabei Schritt für Schritt aus Dutzenden dieser handgezeichneten Skizzen, die natürliche Dimensionen und Dynamik in Form von angedeuteten Bewegungen abbilden.
Papier ist auch der Ausgangspunkt für die Buchbinderin Geòrgia Olivé vom Atelier Relligats Olivé. Für sie ist das, was sie täglich macht, „fast schon magisch: Wir hauchen einem Buch Leben ein“. Zuerst stellt sie mithilfe einer Falzmaschine Druckbögen her. Wenn diese Bögen fertig sind, werden sie für einige Stunden mit einem Gewicht beschwert.
Rindsleder als erste Wahl
Soll das Innenleben eines Automobils mit Qualität und Klasse brillieren, war und ist Leder die erste Wahl. Denn Leder in guter Qualität ist eines der wertvollsten Materialien für Polster. „Ich bevorzuge Leder, weil es ein Naturmaterial ist“, sagt Seat-Schneider Nick Allen. „Ich muss das Leder nur anfassen, um seine Qualität einschätzen zu können und zu wissen, wie es sich unter der Nadel in einer Nähmaschine verhalten wird“, fügt er hinzu.
Geòrgia Olivé kann in ihrer Buchbinderei aus 80 Mustern unterschiedlichster Gewebe für die Herstellung von Bucheinbänden wählen. Auch sie ist der Meinung, dass Leder die beste Wahl für die Herstellung eines Qualitätsprodukts ist – wegen seines Geruchs, seiner Textur, der Prägemöglichkeit und nicht zuletzt wegen seiner Haltbarkeit.
Die zu Bögen gefalteten Blätter werden üblicherweise mit einer Maschine zusammengeheftet. Buchbinder restaurieren ab und an aber auch jahrhundertealte Bände, die so empfindlich sind, dass sie nur von Hand geheftet werden können. „Bei solchen Werken muss man besonders gut aufpassen, dass das empfindliche Papier nicht reißt“, erläutert Geòrgia.
Rund einen Meter Faden benötigt man für ein Buch, während man für die Herstellung eines Autos gut einen Kilometer braucht. Seat verwendet für die Verarbeitung der Leder rund 100 verschiedenfarbige Fäden auf 250 Spulen, die beispielsweise bei den sichtbaren Kontrastnähten des Lenkrads mit einer gebogenen Nadel vernäht werden.
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