42. Int. Wiener Motorensymposium : Viele Wege führen zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs
Auf dem 42. Internationalen Wiener Motorensymposium gewährten mehr als 80 hochrangige Vortragende, darunter führende Manager, Ingenieure und Wissenschaftler der Motoren- und Antriebsentwicklung sowie Vertreter öffentlicher Organisationen und Vereine aus aller Welt, einen Blick in die Zukunft der Mobilität. Organisiert wurde die zweitägige Online-Tagung vom Österreichischen Verein für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK).
Europa als Vorreiter der Dekarbonisierung
Das Klimaziel 2050 wird die Welt der Autohersteller radikal verändern. Bis Ende dieses Jahrzehnts rechnet Markus Duesmann, Vorstandsvorsitzender der Audi AG, weltweit mit einem Rückgang des Anteils des Verbrennungsmotors auf 50 Prozent im Premiumsegment. Audi setzt auf eine konsequente Elektrifizierungsstrategie: „Bis 2025 planen wir mehr als 20 vollelektrische Modelle.“ Hybridantriebe, die Kombination von Verbrennungsmotor und E-Antrieb, dienen als Zwischenschritt zum vollelektrischen Antrieb. Als erster Autohersteller will Audi die nächste Rallye Dakar mit einem Serienhybrid-SUV bestreiten. Der Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff dagegen wird für Pkw innerhalb dieses Jahrzehnts laut Duesmann keine entscheidende Rolle spielen.
Den Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg des Elektrifizierungsziels sieht Duesmann in der konsequenten Plattformstrategie innerhalb der VW-Gruppe. So entwickeln Audi und Porsche gemeinsam die Premium Platform Electric, auf deren Basis bis 2030 sieben Millionen Fahrzeuge verkauft werden sollen. Mercedes-Benz verfolgt eine langfristige Vision der elektrischen und CO2-neutralen Mobilität, die „Ambition 2039“ laut Torsten Eder, Leiter Entwicklung Powertrain bei der Mercedes-Benz AG. Bis 2039 wird bei Mercedes-Benz die Neuwagenflotte über den gesamten Lebenszyklus CO2-neutral sein.
Auf der Antriebsseite verfolgt Mercedes-Benz bei der Transformation eine dreispurige Strategie, beginnend mit 48-Volt-Elektrifizierungen über Plug-in-Hybride bis zu vollelektrischen (batterieelektrischen) Antrieben. Als einziger Autohersteller bietet Mercedes-Benz auch eine Diesel-Hybridvariante an. Der dreispurige Ansatz ergibt sich laut Eder durch regional unterschiedliche Anforderungen und Rahmenbedingungen sowie Umsetzungsgeschwindigkeiten der Klimavorgaben auf dem Weltmarkt. Beispiele für „Ambition 2039“ sind auch die „Factory 56“ als hochmoderne Produktionsstätte in Sindelfingen sowie der aufwendige Umbau des Firmensitzes in Untertürkheim.
Dort soll der Mercedes-Benz Drive Systems Campus entstehen mit dem Schwerpunkt Batterietechnologie und elektrisches Fahren, einer Lithium-Ionen-Batteriezellproduktion in Kleinserie sowie einem Batteriesicherheitstestzentrum. Trotz Transformation will Porsche als Sportwagenhersteller seine Stärken bewahren: unverwechselbares Design, Porsche-typische Performance, extrem hohe Qualitätsstandards und einzigartiges Fahrerlebnis, erklärt Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG.
Umgelegt auf den Antrieb bedeutet dies einen Mix an Hochleistungs-Benzinmotoren, performanten Hybrid- sowie batterieelektrischen Modellen. Die Benzinmotoren werden kontinuierlich verbessert und sollen künftig mit E-Fuels (strombasierte synthetische Kraftstoffe) betrieben werden und so CO2-neutral werden. Porsche baut derzeit zusammen mit Siemens Energy und Exxon Mobil in Chile eine Pilotanlage für E-Fuels auf, die im Serienbetrieb 15 Millionen Liter E-Fuel pro Jahr erzeugen soll. Als Erstes will Porsche einen mit E-Benzin betriebenen Verbrennungsmotor 2022 in einem 911 GT3 Cup Rennwagen testen.
Später könnten auch 911er mit E-Benzin betankt werden, deren Bauart keinen vollelektrischen Antrieb, aber eine Hybridisierung erlauben. Der 911er solle, solange es die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben, mit einem Verbrennungsmotor angeboten werden, sagt Blume. Nachhaltigkeit geht laut Blume jedoch über E-Mobilität hinaus, daher will das Unternehmen ab 2030 vollumfänglich CO2-neutral sein, also auch in der Produktion.
Zulieferer: Mobilität muss leistbar bleiben
Stefan Hartung, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH, sieht bis 2050 zwei große, konträre Trends: einerseits das weltweit wachsende Bedürfnis nach Mobilität im Personen-, vor allem aber im Güterverkehr sowie anderseits das Pariser Klimaziel. Um beide Ansprüche erfüllen zu können, brauche es Technologieoffenheit. Bosch unterstützt zudem das Ziel der EU-Kommission, dass Mobilität auch in Zukunft für alle leistbar bleiben muss.
Laut Bosch ist das Klimaziel 2050 nur mit allen Antriebsarten zu erreichen. Der Zulieferer ist darauf vorbereitet: Im Bereich des batterieelektrischen Antriebs sind bereits mehr als 2,5 Millionen E-Fahrzeuge mit Bosch E-Komponenten ausgestattet. Das Laden will Bosch mit dem Internet der Dinge (IoT) vereinfachen. Eine große Rolle schreibt Bosch künftig dem Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff zu. Bosch arbeitet sowohl an stationären wie mobilen Brennstoffzellen und will von 2021 bis 2024 eine Milliarde Euro in diese Technologie investieren. Bosch betreibt aber auch Projekte mit wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotoren.
Nicht übersehen werden darf laut Hartung der mögliche Beitrag des Verbrennungsmotors zum Klimaschutz. Dieser Motor sei robust, leistbar und mit synthetischen, CO2-armen bzw. CO2-freien Kraftstoffen als Beimengung könnten sofort, ohne Umbau, neue wie gebrauchte Fahrzeuge umweltfreundlicher unterwegs sein. Bei einem weltweiten Pkw-Bestand von 1,3 Milliarden Fahrzeugen werde diese Option oft unterschätzt. Daneben setzt Bosch auf Hybridantriebe, von der preisgünstigen 48-Volt- bis zur hochleistungsfähigen Plug-in-Hybridvariante.
„Die Zukunft ist elektrisch und sie hat bereits begonnen“, ist Thomas Stierle, Leiter des Geschäftsbereichs Electrification Technology bei Vitesco Technologies, überzeugt. Gleichzeitig müssen Autohersteller und Zulieferer kostengünstige Lösungen auch für nicht batterieelektrische Antriebe dem Kunden anbieten – unter Einhaltung der gesetzlichen CO2-Ziele. Als eine Schlüsselrolle für den Erfolg des elektrischen Antriebs nennt Stierle die Kostenreduktion. Um die gegenüber einem Verbrenner-Antrieb deutlich höhere Komplexität von E-Antrieben für Kunden auch in preissensiblen Segmenten leistbar zu machen, setzen Vitesco Techologies intensiv auf die Kosteneinsparung bei Elektronik und Software durch modulare und skalierbare Systeme. Diese sind obendrein vom Autohersteller einfacher ins Fahrzeug zu integrieren.
Der Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff ist laut Stierle vor allem für Nutzfahrzeuge, Schiffe und Züge attraktiv. Uwe Wagner, Vorstand Forschung und Entwicklung der Schaeffler AG, prognostiziert für 2030 einen weltweiten Anteil elektrifizierter Antriebe von 70 Prozent bei Neuwagen, davon entfallen 30 Prozent auf batterieelektrische und 40 Prozent auf Hybridantriebe. Bis 2035 werde der weltweite Anteil an reinen E-Neufahrzeugen Richtung 50 Prozent steigen. Wagner fordert, dass neben den Antrieben auch die dafür nötige Energieherstellung und Infrastruktur berücksichtigt werden. Europa wird künftig viel Ökostrom importieren müssen.
Um diesen speichern und so über weite Strecken transportieren zu können, ist zum Beispiel Wasserstoff gefragt. Schaeffler arbeitet intensiv an Systemen und Komponenten, z.B. Bipolarplatten, für Brennstoffzellen und Elektrolyseure. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Geringer, Vorsitzender des ÖVK, resümiert: „Es gibt viele und hoffnungsfrohe Lösungen, vom Verbrennungsmotor mit E-Fuel bis zum reinen batterieelektrischen Antrieb. Keine davon kann allein die mehrdimensionalen Vorgaben an Treibhausgasreduktion, Effizienz, Kosten und globale Verfügbarkeit erfüllen.“