Emotion trifft Effizienz : Traktuell im Volvo Design Center in Göteborg

Sein Design wurde mittlerweile mit dem begehrten Red Dot Award ausgezeichnet, er inspiriert in Zukunft die komplette Linie der Drivers Collection - der neue Volvo FH setzt Maßstäbe beim Truck Design. Wir haben in ganz exklusivem Rahmen seine Schöpfer im Volvo Design Center in Göteborg getroffen, um mehr über dieses Kunstwerk auf Rädern zu erfahren.
Hektisch werden in der großen Halle des Volvo Design Centers noch schnell Tücher über die neuesten Lehmmodelle geworfen und wir elegant, aber doch bestimmt, sofort nach dem Betreten der heiligen Hallen schwedischen Truck Designs in das nächstgelegene Besprechungszimmer geführt. Gerade erst ist die Designelite von Volvo Trucks aus dem kollektiven Sommerurlaub zurückgekehrt und noch nicht wirklich auf Besuch eingestellt - schon gar nicht von internationaler Fachpresse.
Nach wenigen Minuten erscheint Rikard Orell, Chefdesigner von Volvo Trucks, im Türrahmen und gibt grünes Licht für unseren Besuch in "seinem" Studio. Eine der ersten Volvo FH Sattelzugmaschinen, die vom Band gelaufen ist, steht gleich rechts in der riesigen, besonders hellen Halle, daneben einige futuristische Designstudien, die sich nur mit einer massiven Änderung der Gesetzeslage realisieren lassen würden, aber jetzt schon das Potenzial aerodynamischer Maßnahmen (Verbrauchsersparnis von bis zu 15 Prozent) vorwegnehmen.
Überdimensionale mobile Wände trennen den hinteren Teil des Design Studios von unserem „gesicherten“ Bereich. Taghelle Scheinwerfer hängen hinter diesen Sichtschutzwänden von der Decke, leises Klopfen und markantes Abrollen von Klebeband verrät, dass dort parallel zu unserem Besuch weitergearbeitet wird, an zukünftigen Nutzfahrzeugen. Reichlich Geschichte und ein weißes Blatt Die Sichtschutzwände dienen gleichzeitig als Präsentationsfläche für das Storyboard zur Entstehung des neuen Volvo FH. "Wir hatten zu Beginn der Entwicklungsphase alle Freiheiten, wir konnten vom weißen Blatt Papier mit vollkommen neuem Truck Design starten", beginnt Rikard Orell euphorisch von den Anfängen im Jahr 2006 zu erzählen.
Wobei sein Chef für das Exterieur Design, Asok George, sofort bremst: "Ganz so groß ist die Freiheit letztendlich aber nicht. Wir sind bei den Abmessungen gesetzlich limitiert, Scheinwerfer, Grill oder auch Windschutzscheibe haben mehr oder weniger vorgegebene Positionen." Der Grundsatz lautete also etwas komplett neues zu schaffen, aber mit Rücksicht auf die typischen Volvo Gene. Hinzu kam damals noch der eigene Anspruch der Designer etwas besonders dynamisches zu kreieren.
"Bereits der erste Sketch von 2006/07 war besonders dynamisch ausgelegt und fand auch bei den Technikern großen Zuspruch, die von der neuen Designsprache sofort überzeugt waren und den Designern bei der Umsetzung ihrer Ideen größte Unterstützung zukommen ließen", packt aber dann auch Asok die Leidenschaft zum Projekt. Die Volvo Design Philosophie Die Volvo Design Philosophie basiert - gemeinsam mit jener von Volvo Cars - auf der schwedischen Kultur. Geprägt durch das raue Klima liegt der Fokus in Schweden immer auf Einfachheit, Praktikabilität und Zuverlässigkeit. Schwedische Innovationen entstehen deshalb stets aus oftmals einfachen menschlichen Bedürfnissen. Dies hat seinen Ursprung wieder in der Landeskultur, denn in einem dünn besiedelten Land ist man aufeinander angewiesen und achtet auf seinen nächsten.
„Deshalb liegt auch das Augenmerk beim Design auf perfekter Ergonomie, die einfach in uns Schweden steckt. Wir lieben einfache Dinge, die gut aussehen und perfekt funktionieren”, besinnt sich Rikard Orell auf die Basis.
Beim Exterieur Design wird dieses „für einander da sein" durch die schwarze Spange unterhalb der Windschutzscheibe deutlich. Die Glasfläche wird optisch verlängert und bringt den Fahrer näher an die Straße und damit zu den Menschen um ihn herum
Ein weiteres Paradebeispiel für praxisorientiertes, funktionales Design stellen die extrem reduzierten Außenspiegel, die auf Grund des unsichtbaren Spiegelgehäuses für maximale Sichtbarkeit sorgen.
Darüber hinaus geht das Volvo Design besonders auf die Aufgaben der einzelnen Baureihen ein - der FH 16 wirkt besonders technisch und massiv, er ist eindeutig auf der Autobahn zuhause, während der FMX in erster Linie Robustheit auf der Baustelle und der FL Freundlichkeit im Stadtverkehr ausstrahlen. Proportion, Symmetrie und Stand Proportion, Symmetrie und Stand sind in der Automobilindustrie besonders wichtig. Vor allem die Art und Weise wie ein Truck auf der Straße steht ist für Rikard von größter Bedeutung: "Dieses Erscheinungsbild macht unterbewusst den Unterschied aus zwischen einem dynamischen, effizienten und gleichzeitig sicheren Lkw oder eben einem Fahrzeug, das sich grundsätzlich falsch anfühlt." Die Räder des Volvo FH sind wie bei modernen Pkw besonders weit außen angesetzt, um ein extrem stabiles Auftreten zu vermitteln.
Nachdem die ersten dynamischen Zeichnungen gefiltert und einige wenige in die engere Wahl genommen wurden, beginnt der besonders schwierige Prozess des Übertragens der Zeichnung auf die ersten Modelle.
Dies geschieht bereits in enger Zusammenarbeit mit den Ingenieuren, denn die Funktion steht natürlich im Vordergrund und die Einzelteile müssen schließlich auch industriell gefertigt werden können. "Beispielsweise die riesigen Seitenteile am Dach des Fahrerhauses sind die größten ihrer Art in der Automobilindustrie und haben nicht nur uns sondern auch die Ingenieure vor große Herausforderungen gestellt", erzählt Asok George stolz.
Ein wesentlicher Aspekt gelungenen Designs ist aber auch die Wiedererkennbarkeit und die Verbundenheit zur Marke. Deshalb ist selbst progressives Design wie jenes des neuen FH bei genauer Betrachtung von Evolution geprägt.
Die Form ist grundsätzlich - wie beim letzten FH auch - nach wie vor sehr geradlinig, die Scheinwerfer immer noch hochgestellt, wirken aber durch die markanten Tagfahrleuchten extrem modern, und die Trittstufen im Grill wurden zum Beispiel noch stärker herausgearbeitet. Diese Verbundenheit zur Markengeschichte war übrigens mit ein Entscheidungsgrund für die Red Dot Kommission dem Volvo FH einen Award zu verleihen. Das Interieur-Design Auch im Interieur soll alles darauf hin arbeiten das neue Raumgefühl zu unterstützen, dabei aber gleichzeitig dem Fahrer Geborgenheit und Sicherheit vermitteln. Gleichermaßen setzt sich also die Volvo Designsprache im Innenraum fort. Klare Linien und vor allem die Großflächigkeit des Armaturenbretts sorgen für ein außergewöhnliches Raumgefühl. Selbst der dezente Schwung, den die Stauboxen an der Fahrerhausrückwand beschrieben lässt die Schulterfreiheit in der Kabine deutlich wachsen.
Das Interieur des Volvo FH ist aber nicht nur am Zeichenbrett und in 3D Simulationen entstanden. Das Designteam rund um Rikard Orell hatte unter anderem auf einem mehrtägigen Trip von Spanien zurück nach Göteborg Zeit sich mit dem Leben an Bord eines Lkw auseinanderzusetzen, zu erfahren, was es heisst ein Lenkrad acht Stunden am Stück in der Hand zu halten. "Das neue Lenkraddesign erlaubt deshalb eine Vielzahl von Griffpositionen, damit die Hände nicht ermüden. Die Anordnung der Knöpfe ist optimal auf die Anforderung der Fahrer abgestimmt", erläutert Carina Byström, Leiterin Interior Design Volvo Trucks, die Nähe der Designabteilung zum Anwender.
Außerdem wurden die Fahrer selbst direkt in den Design- und Entwicklungsprozess mit einbezogen. Mehr als 2.000 Fahrer wurden über Jahre hinweg an Raststätten in ganz Europa zu ihren alltäglichen Bedürfnissen und praktischen Anforderungen an Lkw befragt. Die Ergebnisse dieser umfangreichen Recherche bildete die Basis für zahlreiche Detailentwicklungen.
Perfekt umgesetzt wird die Volvo Philosophie in der Werbekampagne des neuen Volvo FH, der es perfekt gelingt dieses Image auszustrahlen - außen cool und innen warm - wie ein kleines Haus mitten im winterlichen Schweden, in dem das Kaminfeuer prasselt. Die Kabine ist der sichere Hafen für jeden Lkw Fahrer. Design steckt im Detail Ist das Design erst einmal von der Konzernleitung abgesegnet und für die Produktion freigegeben beginnt für das Designteam erst die Detailarbeit. Denn in unzähligen Zyklen wird am Feintuning jedes einzelnen Teils gearbeitet. Jede Fuge, jede Kunststoffoberfläche, jedes Spaltmaß wird überprüft und direkt mit den Zulieferern optimiert.
Eine große Herausforderung waren in dieser Qualitätssicherungsphase die Chromteile im Kühlergrill, die zwar nach Automobil-Standards gefertigt wurden, sich aber im Zuge der extrem harten Tests zwischen Polarkreis und Äquator als nicht standfest genug erwiesen und nun extra für den FH nochmals in höherer Qualität ausgeführt werden. Blick in die Zukunft Nachdem Designer stets ihrer Zeit weit voraus sind und jetzt schon an die Entwicklungen im Jahr 2030 denken ist die Neugier natürlich grenzenlos was sich denn unter den Tüchern verbirgt, oder welche Kante gerade an dem Lehmmodell unter den Tageslicht-Scheinwerfern bearbeitet wird. Eine konkrete Antwort bleiben uns die Designer natürlich schuldig, dennoch sind sich Rikard und Asok einig, dass eine Revolution im Lkw Design bevorsteht: "Im nächsten Schritt werden wir integrierte Konzepte sehen, die Zugmaschine und Auflieger kombinieren, so wie wir es hier bei unserer Volvo Vision 2030 zeigen. Sie basiert auf heutigen 20,25 Meter langen Zügen, die aber in erster Linie aerodynamisch optimiert ist."
Wir freuen uns auf einen Besuch im Volvo Design Studio in fünf Jahren, wenn bereits fieberhaft an den neuesten Modellen für das Jahr 2025 gearbeitet wird. Bis dahin lassen wir die Geradlinigkeit des neuen Volvo FH wirken und erfreuen uns an der schier unendlichen Weite dieses einmaligen Armaturenbretts.