Verkehr : Müssen die öffentlichen Verkehrsmittel jetzt einstecken?
Gerade seitens der Grünen und der SPÖ erhält der öffentliche Verkehr Vorrang gegenüber dem Auto. Doch nun hat das Coronavirus das Auto als Fortbewegungsmittel wieder stärker in den Fokus gerückt. Durch die Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 haben öffentliche Verkehrsmittel mit vergleichsweise vielen Fahrgästen ihre Stellung eingebüßt, es wird wieder verstärkt auf das eigene Auto gesetzt. Der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel kommt als Alternative nur für etwas mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) in Betracht, geht aus einer Studie in Auftrag von Kapsch TrafficCom hervor.
„In Ballungszentren müssen wir damit rechnen, dass öffentliche Verkehrsmittel unter dem Eindruck der Corona-Pandemie noch seltener die erste Wahl der Menschen sein werden, um von A nach B zu kommen“, sagt Gerd Gröbminger, Vice President Sales bei Kapsch TrafficCom. „Nach ersten Lockerungen sehen wir schon heute, dass das Auto verstärkt genutzt wird." Mehr Autos bedeuten natürlich auch mehr Verkehr. "Das Verkehrsmanagement wird schnellstmöglich darauf reagieren müssen", sagt Gröbminger. Ihrerseits reagieren Autofahrer auf überfüllte Straßen, indem sie alternative Routen suchen (89 Prozent), nicht unbedingt notwendige Fahrten wegen drohender Staus einfach ausfallen lassen (88 Prozent) oder Verkehrsinformationen nutzen (81 Prozent).
Zahl der Autos steigt um 13,5 Prozent
Kapsch TrafficCom geht davon aus, dass die Überlastung der Straßen über die Pandemie hinaus eine langfristige Entwicklung darstellt. Wichtiger Treiber sind die steigenden Zulassungszahlen. So ist der Pkw-Bestand in den vergangenen zehn Jahren in Österreich auf zuletzt rund fünf Millionen Fahrzeuge bis Ende 2019 gestiegen - das ist ein Plus von rund 0,6 Millionen Autos.
„Wir haben bereits technische Antworten, um einen reibungslosen Verkehrsfluss in Zeiten mit sehr großem Verkehrsaufkommen herzustellen", sagt Gröbminger. „Das Verkehrsmanagement beruht dabei auf mehreren Säulen: Neben dem effizienteren Auflösen von Störungen geht es zum Beispiel auch darum, die Fahrzeuginfrastruktur in öffentliche Leitsysteme zu integrieren, Ampeln damit besser adaptiv zu steuern oder Routen kollaborativ auszuwählen.“
Wie Stauzeiten um 25 Prozent sinken
"Der erste Schritt sollte eine verkehrsabhängige Steuerung von Ampeln sein", meint Gröbminger. "Wenn diese Technologie konsequent eingesetzt wird, zeigen die Praxiserfahrungen um bis zu 25 Prozent reduzierte Stauzeiten." Die weite Verbreitung von SIM-Karten und GPS mache es darüber hinaus möglich, von den Fahrzeugen Echtzeit-Verkehrsdaten zu erhalten und diese zu nutzen. Damit würde das Wissen über die tatsächliche Verkehrssituation auf den Straßen signifikant ansteigen. Die Auswirkungen seien vergleichbar mit der erhöhten Vorhersagequalität in der Meteorologie durch die Einführung von Satelliten, erklärt Gröbminger.
Navigation hört auf, egoistisch zu arbeiten
Der Austausch vernetzter Fahrzeugdaten ebnet den Weg für neue Navigationssysteme: Derzeit würden alle gängigen Routingsysteme noch „egoistisch“ arbeiten. "Wird Staugefahr erkannt, wird allen Fahrzeugen von der Navigationssoftware dieselbe Ausweichroute vorgeschlagen", so Gröbminger.
"Künftig sollten die Routen der Verkehrsteilnehmer von den öffentlichen Verkehrsleitstellen vorgeschlagen werden", schlägt Gröbminger vor. Der Grund: Das Wissen der öffentlichen Verwaltung über Baustellen, Events oder besondere Umweltbelastung wird in der neuen Streckenplanung berücksichtigt und über die angeschlossenen Navigationssysteme zum Vorteil der Gemeinschaft angewendet. So ließe sich der Bedarf vorausschauend steuern („Predictive Demand Management“).