Elektromobilität : Ionity wegen verbrauchsabhängiger Preisgestaltung in der Kritik

Ionity Ladestationen
© Ionity

Kundenpreise werden rasch zum Zankapfel - gerade dann, wenn sie scheinbar willkürlich erhöht werden. Das Gemeinschaftsunternehmen "Ionity", an dem BMW, Mercedes-Benz, Ford und Volkswagen beteiligt sind, muss sich diesen Vorwurf nun gefallen lassen. Statt einer Flatrate, die für das Stromladen zu entrichten war, schaltet der Ladesäulenbetreiber ab 1. Februar auf eine verbrauchsabhängige Preisgestaltung um: Sehr zum Ärger zahlreicher E-Autofahrer, die sich durch den intransparenten Preis-Dschungel an den Ladestationen ohnehin schwer zurechtfinden. E-Autofahrer sollen nun 79 Cent pro Kilowattstunde an Ionity-Ladestationen entrichten. Damit liegt das Joint Venture aber deutlich über den Preisen von Wettbewerbern wie Tesla (33 Cent/kWh) oder dem niederländischen Anbieter Fastned (59 Cent/kWh), wie aus Berichten der Medien hervorgeht.

Doch Thomas Haller (Global Head of Energy-Practice) und Christian Zapletal (E-Mobilitätsexperte) bei Simon-Kucher & Partners sehen die Sache etwas anders. Einerseits würde Ionity eine konkurrenzlose Schnelllade-Infrastruktur mit Ladesäulen von bis zu 350 kW anbieten, die entsprechend höhere Kosten verursacht, andererseits soll es laut Medienberichten satte Rabatte für E-Fahrzeuge der mit Ionity verbundenen Hersteller geben. Da drängt sich doch die Frage auf, ob Ionity mit der Änderung der Preisstrategie nicht versucht, E-Autofahrer wieder schneller von der Säule wegzukriegen. Laut der Website "Efahrer.com" könnte die Maßnahme künftig dazu führen, dass die Ladestationen schneller freigegeben werden und nur noch das getankt wird, was wirklich gerade benötigt wird.

Neue Preisgestaltung ist "suboptimal"

Die beiden E-Mobilitätsexperten Thomas Haller und Christian Zapletal wollen Ionity aber keinen Strick aus der neuen Preisstrategie drehen: Hersteller wie Tesla würden im Gegenzug einen entsprechend hohen Aufschlag auf den Fahrzeugpreis geben. Der tatsächliche, kostspielige Preis der Tesla-Ladeinfrastruktur und des Stroms werden dem Kunden so nicht transparent gemacht, kritisieren die beiden. Die neue Vorgehensweise von Ionity halten aber auch Haller und Zapletal für suboptimal. "Wir empfehlen allen Betreibern, die Preis- und Angebotsstrukturen zu überdenken. Ein einheitlicher Preis befriedigt weder unterschiedliche Kundenbedürfnisse, noch schöpft er die Zahlungsbereitschaften unterschiedlicher Nutzergruppen aus", sagt Zapletal.

Schnelles versus langsames Laden

Bei der wertbasierten Preisgestaltung ("Value-based Pricing") wird die Preishöhe immer anhand des erhaltenen Mehrwerts für den Anwender festgelegt. Da der Nutzen beim Laden unterwegs in der Zeitersparnis liegt, definiert sich der tatsächliche Mehrwert für den Konsumenten auch daraus, wie eilig er es hat, wieder von der Ladesäule wegzukommen. Manche Kunden sind bereit, für besonders schnelles Laden auch erheblich mehr zu bezahlen, andere wünschen sich einen niedrigeren Preis, verlangen aber auch nur eine geringere Ladeleistung, zum Beispiel dann, wenn sie den Ladevorgang mit einer Pause verbinden wollen.

Eine effektive Trennung der Kunden nach Preisbereitschaften für die Zeitersparnis beim Ladevorgang wäre nach Ansicht beider Experten ein guter Weg, um sowohl Kundenbedürfnisse als auch das vorhandene Gewinnpotenzial besser zu adressieren. Bedeutet: An einer Schnelladesäule zahlt man mehr für eine kürzere Ladedauer und an langsameren Ladepunkten greift der Kunde nicht so tief in die Tasche, muss sich aber auch auf eine längere Ladezeit einstellen.

Mit Service-Angeboten punkten

Abgesehen vom Ladepreis sollten Anbieter auch ihr Angebot differenzieren, um bestimmte Preise zu rechtfertigen, raten Haller und Zapletal. Neben Ladezeit haben verschiedene Kundensegmente auch unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse: Zum Beispiel an Angebote diverser Mobility-as-a-Service-Anbieter, dem Bezahlmodell (Reservierung, Rechnung) oder ergänzender Angebote (zum Beispiel attraktive Bündel aus Laden inklusive Kaffee, Kuchen und Toilettenbesuch). Auf diese Weise können Anbieter nicht nur Kundenbedürfnisse optimal befriedigen und verschiedene Zahlungsbereitschaften ausschöpfen. Sie nehmen dank differenzierter Angebots- und Preispolitik auch den zahlreichen Kritikern des vermeintlich zu teuren Einheitspreiskonzeptes den Wind aus den Segeln.

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