Future Mobility : Grazer Kreuzungen liefern Trainingsdaten für autonome Fahrzeuge
die österreichische Testregion für automatisiertes Fahren (ALP.Lab) sammelt mittels Verkehrsbeobachtungssystemen Daten, die von Gemeinden, Verkehrsplanern, F&E-Einrichtungen und in wissenschaftlichen Projekten genutzt werden, um zB. die Straßenverkehrssicherheit zu erhöhen, verbesserte Sensoren für die Objekterkennung zu entwickeln oder effizientere Formen des öffentlichen Verkehrs einzuführen.Hierbei werden Verkehrsteilnehmer automatisiert nach Kategorien erkannt (sog. objektbasierte Beobachtung), um anonymisierte Echtzeit-Daten von realen, komplexen Verkehrssituationen zu generieren.
Reale Verkehrsszenarien als Trainingsdaten für Künstliche Intelligenz (AI)
Ein weiterer Einsatzbereich der gesammelten Daten ist es, diese als Trainingsdaten für autonome Fahrsysteme zu nutzen. Fahrerassistenzsysteme und – in weiterer Folge – autonome Fahrzeuge sind nur möglich, wenn die eingesetzten Sensoren bzw. die zur Anwendung kommende Software andere Verkehrsteilnehmer auch richtig erkennt und deren Bewegungsabsichten einschätzen kann. Dafür nutzen die Sensoren unterschiedliche Technologien wie Radarwellen, Laserstrahlen oder optische Bilderkennung, um die Verkehrsteilnehmer als (anonyme) Objekte zu erkennen und ihre Bewegungen (Trajektorien) zu detektieren.
Im Gegensatz zu menschlichen Fahrschülern, können Computer solche Erfahrungen nur lernen, indem vorab große Datenmengen gesammelt, aufbereitet und an die Fahrzeugsoftware überspielt werden. Die Testregion "ALP.Lab" bietet genau diese Daten Automobilzulieferern und Fahrzeugherstellern ebenso an wie wissenschaftlichen Forschungsprojekten. „Die Verkehrsbeobachtungs-Daten sind eine ideale Ergänzung für die von ALP.Lab angebotenen Real-Tests von automatisierten Fahrfunktionen“, erklärt Gerhard Greiner, Geschäftsführer bei ALP.Lab.
Es geht darum "Beinahe-Unfälle" zu sehen
Gerade in Hinblick auf die Steigerung der Verkehrssicherheit sind Verkehrsbeobachtungsdaten von unschätzbarem Wert. Um die aktive Sicherheit von Fahrzeugen zu erhöhen, also Unfälle bestmöglich zu vermeiden, ist es unerlässlich nicht nur Daten von erfolgten Unfällen (aus Unfallstatistiken) zu haben, sondern auch hochgenaue reale Verkehrsdaten von "Beinahe-Unfällen". Genau diese Daten, sogenannte "kritische Verkehrsszenarien", können im Rahmen von objektbasierten Verkehrsbeobachtungen, wie hier im aktuellen ALP.Lab-Projekt, erhoben werden. So zum Beispiel Fußgänger, die nur mit Mühe vor dem Ende der Grünphase die Straße überqueren können oder Fahrzeuge, die ihren Abbiegeradius plötzlich ändern, um kreuzenden Radfahrern auszuweichen.
Moderne Auto-Sensorik auf Straßenmasten
Die klassische Methode, Trainingsdaten für die Künstliche Intelligenz (AI) von autonomen Fahrfunktionen zu sammeln, besteht darin, mit Sensoren ausgestattete Testfahrzeuge viele tausende Kilometer auf öffentlichen Straßen zu bewegen. ALP.Lab geht mit dem aktuellen Projekt einen innovativen, nachhaltigeren Weg, der viele Testkilometer (= CO2, Lärm etc.) einspart. Dieselbe Art von Sensorik, wie sie bereits in modernen Fahrzeugen verbaut ist, wird straßenseitig fix auf bestehender Infrastruktur montiert. Christoph Knauder, Manager Operations von ALP.Lab, beschreibt das so: „Wir montieren die Sensorik von modernen Autos auf zB. Straßenmasten – von dort haben sie einen besseren Überblick und liefern rund um die Uhr Daten von besonders relevanten Kreuzungen. Mit Hilfe geeigneter Algorithmen errechnen wir aus dieser Vogelperspektive des Kreuzungsszenarios die Position jedes Objektes heraus und können so Situationen aus dem Blickwinkel des Fußgängers, des Autos oder Radfahrers darstellen.“
Die eingesetzte Sensorik ist 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr im Einsatz und kann so nicht nur eine große Zahl an typischen und gefährlichen Szenarien erfassen, sondern diese auch mit unterschiedlichsten Rahmenbedingungen in Verbindung setzen – wie Verkehrsaufkommen, Wetter, Uhrzeit oder Temperatur. Schließlich macht es einen Unterschied, ob zB. zwei Meter Sicherheitsabstand bei guter Sicht und trockenem Boden zur Verfügung stehen, oder bei Nebel und schneebedeckter Fahrbahn. „Eine derartige Verkehrsbeobachtung ist internationales Neuland und erregt in der Fachwelt bereits großes Interesse,“ erläutert ALP.Lab Geschäftsführer Dr. Jost Bernasch. „Wir freuen uns, dass die strategische Entscheidung von ALP.Lab, in herausfordernden Zeiten neue Wege zu beschreiten, Früchte trägt und sind schon sehr gespannt auf detaillierte Ergebnisse.“
Graz als Vorreiter für die multimodale Mobilität der Zukunft
In Kooperation mit Gemeinden und Städten erfasst ALP.Lab Verkehrsdaten auf ausgewählten Kreuzungen im ländlichen und urbanen Bereich. Neben Kreuzungen zB. in Feldbach wurden nun Kreuzungen in Graz mit Radar-, Lidar- und optischen Sensoren ausgestattet. Die Grazer Kreuzung Wickenburggasse / Korösistraße / Kaiser-Franz-Josef-Kai verbindet mehrspurig Straßen, Gehwege, Fahrradwege und Wege für den öffentlichen Verkehr (Straßenbahn und Bus) miteinander. Der Beobachtungsschwerpunkt (mittels Radar-, Lidar- und optischen Sensoren) liegt auf den Begegnungszonen von Fußgängern mit öffentlichem Verkehr sowie umfassend auf den Straßenbereichen.
Die Grazer Straßenkreuzung Petersgasse / Inffeldgasse bietet ein komplexes Zusammenspiel aus Gehwegen, mehreren Zebrastreifen mit umgebenden Schulen und einer Straßenbahnhaltestelle inkl. Umkehrplatz und Busbahnhof. Hier wurde ein 360° Lidar-Sensor installiert, der den Kreuzungsbereich weiträumig abdeckt. Ziel ist es, die Bewegungen von allen VerkehrsteilnehmerInnen nachzuvollziehen und noch besser zu verstehen, Begegnungszonen genau zu analysieren, kritische Situationen frühzeitig zu erkennen und Ansätze für neue Lösungen zu identifizieren. Die Montage der Sensoren erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Straßenamt.
Garantiert anonym, ganz automatisch.
Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, dass die die Verkehrsüberwachung zu 100% anonym erfolgt. Radar- und Lidarsensoren nehmen von vornherein nur sogenannte Punktwolken wahr, nicht aber Gesichter oder Fahrzeugkennzeichen. Die zusätzlich eingesetzten optischen Sensoren verfügen zwar über ein Objektiv, wandeln aber die Signale direkt beim Entstehen in „sich bewegende geometrische Figuren“ um, farblich markiert entsprechend ihrer Klassifikation zB. als Fußgänger oder Radfahrer. Damit wird nicht nur dem Datenschutz Folge geleistet, sondern es reduziert sich bereits vor Ort die Datenmenge um 95 % - mit entsprechenden Vorteilen bei der Übertragung, Bearbeitung und Speicherung.
Für die sichere Datenübertragung setzt ALP.Lab auf eine enge Zusammenarbeit mit dem regionalen Marktführer Citycom: “Citycom ist spezialisiert auf die Planung, den Bau und den Betrieb hochverfügbarer Netzwerke,“ erklärt Citycom Geschäftsführer DI Bernd Stockinger. „Unter diesen Netzen sind auch all jene Infrastrukturen zu verstehen, die für eine funktionierende Stadt von wesentlicher Bedeutung sind. Darunter zählen Kupfernetze wie Glasfasernetze, welche gerade in diesem Fall von ALP.Lab zum Einsatz kommen. Unsere Serviceverfügbarkeit ist für den Kunden, für all diese Anwendungen 7x24 erreichbar. In diesem zukunftsweisenden Projekt unterstützt Citycom mit dem Glasfasernetz die Anbindung der Kreuzungen, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten.“
Darf ́s ein bisserl mehr sein? Eine Portion österreichische Fahrverhältnisse für autonome Fahrzeuge
Bereits seit einigen Jahren sammelt ALP.Lab verkehrsrelevante Daten im hochrangigen Straßennetz. In Kooperation mit der ASFINAG und JOANNEUM RESEARCH stehen rund 400 km Autobahn und Schnellstraßen als “Digitaler Zwilling” zur Verfügung und der Abschnitt Graz/West - Laßnitzhöhe ist mit zusätzlichen Sensoren und Kommunikationseinheiten (C-ITS G5) ausgestattet. Die nun gestartete Datenerhebung im ländlichen und urbanen Bereich bildet einen weiteren Baustein für ein ambitioniertes ALP.Lab-Ziel: Die Erstellung eines Alpine Data Sets - ein umfassender Datensatz von realen Verkehrssituationen, der repräsentativ für typisch alpine, österreichische Fahrverhältnisse ist.
Vor allem die geografischen und meteorologischen Besonderheiten im alpinen Raum stellen an autonome Fahrfunktionen (bzw. später autonome Fahrzeuge), die sicher in Österreich unterwegs sein sollen, besondere Anforderungen. Die Fahrsysteme sind mit einer Mischung aus Tunneln, Schneefahrbahnen, Nebel, Straßenbahnen, Kreisverkehren, heimischen Verkehrszeichen und Fahrbahnmarkierungen sowie anderen typisch österreichischen Straßenverhältnissen konfrontiert. Es braucht repräsentative Trainingsdaten, um sicher zu stellen, dass autonome Fahrfunktionen im alpinen Raum einwandfrei funktionieren und Österreich von den Chancen neuer Mobilitätsformen profitieren kann.
https://youtu.be/S_4w02zgi4Y