Fahrsicherheit : Wie ein Fahrsimulator Unfälle mit Motorrädern reduzieren kann

© TU Graz

Erfreulicherweise bot das vergangene Jahr einen Tiefstand bei den Verkehrstoten, doch es geht noch besser. Nach Verkehrsteilnehmern betrachtet, kamen die Motorradfahrer gleich nach den Pkw-Insassen. Dass die Gefahr eines tödlichen Verkehrsunfalls mit einem Motorrad ungleich höher liegt, als mit einem Pkw, zeigen die Unfallzahlen.

Zum Stichtag 31.12.2018 waren in Österreich laut Statistik Austria rund 4,98 Millionen Pkw zum Verkehr zugelassen, im Vergleich waren es lediglich eine halbe Million Motorräder. Ums Leben kamen in einem Pkw im vergangenen Jahr 181 Menschen, dagegen waren es bei den Bikern 99 Verkehrstote. Obwohl es tendenziell immer weniger Verkehrstote gibt, bleibt die Zahl der verunglückten Motorradfahrer scheinbar weiterhin hoch. Zum Vergleich zu 2018: Im Jahr 1998 kamen 87 Motorradfahrer ums Leben.

Biker müssen erst auf Touren kommen

Im vergangenen Jahr war bereits jeder vierte Verkehrstote ein Motorradfahrer oder ein Mitfahrer. Dieser hohe Anteil lässt sich zwar zum Teil durch die steigenden Zulassungszahlen und die lange Saison 2018 erklären, dennoch braucht es Maßnahmen, um dieser negativen Tendenz entgegenzuwirken. „Da die Sicherheitsausstattung bei Motorrädern nie so umfangreich wie beim Pkw sein wird, sind entsprechende Fahr- und Verkehrssicherheitstrainings umso wichtiger“, befindet Georg Scheiblauer, Motorrad-Chefinstruktor der ÖAMTC Fahrtechnik.

Motorradfahren hat eine starke körperliche Komponente - Fitness und Geschicklichkeit sind gefragt. „Insbesondere nach der Winterpause sind die Biker noch nicht 100 Prozent in Form“, beanstandet Scheiblauer. Die verfrühten „Eisheiligen“ mit ihrem vergleichsweise wechselhaften, kalten Mai-Wetter, laden nicht gerade zu regelmäßigen Fahrten ein, wodurch viele Motorradfahrer wohl nur schwer auf Touren kommen. Selbstüberschätzung und fehlendes Gespür für gefährliche Situationen im Straßenverkehr erledigen dann den Rest.

Sensibilisierung im Fahralltag wichtig

Selbst wenn ein Motorradunfall - zum Glück - nicht immer tödlich ausgeht, ereignen sich in Österreich jährlich rund 4233 Motorradunfälle. Doch das Fehlverhalten liegt freilich nicht immer auf Seiten der Biker: Bei mehr als der Hälfte dieser Unfälle sind andere Fahrzeuge beteiligt. Von der technischen Seite lässt sich an Motorrädern jedenfalls nur schwer was verbessern. „Optimierungen am Motorrad sind in diesem Zusammenhang nicht zielführend“, erklärt Arno Eichberger, Professor am Institut für Fahrzeugtechnik der TU Graz. Hauptgrund ist vielmehr, dass Motorräder von Pkw-Fahrenden übersehen werden.

Es müsse also an der Wahrnehmung von Motorrädern im Verkehr gearbeitet werden. Daran arbeitet ein Konsortium aus Spezialisten der Reco-Tech, der Fraunhofer Austria und des Instituts für Fahrzeugtechnik der TU Graz im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Eine Studie verfolgte dabei zwei Ansätze: Zum einen sollten angehende Autofahrer im Zuge ihrer Fahrausbildung durch gezielte Trainings für gefährliche Situationen sensibilisiert werden. Zum anderen zielten die Forschenden auf die Potentiale von Warnsystemen im Fahrzeug ab.

Nun veröffentlichten die Forscher ihre Ergebnisse. Sie sprechen sich für spezielle Fahrsimulatoren-Trainings aus, um Führerscheinneulinge auf häufige vorkommende Szenarien vorzubereiten, in denen Motorräder nur eingeschränkt sichtbar sind. Zum anderen empfehlen sie den Einsatz von multimodalen Motorrad-Warnsystemen in Fahrzeugen, die auf einer sogenannten Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation beruhen.

Zweijährige Studie mit Fahrschülern

Die Grundlagen für so eine Technologie existieren bereits. Die grundsätzliche Idee dahinter ist, dass sich Fahrzeuge untereinander per Funk vernetzen und Autofahrer frühzeitig Informationen über Gefahrensituationen im Straßenverkehr erhalten. Autofahrer können dann dazu angehalten werden, besonders vorsichtig zu agieren, wenn ein Motorrad entlang der Strecke fährt.

Für ihre Untersuchungen stellten die Forschenden in einem Fahrsimulator die häufigsten Verkehrsszenarien nach, die auf Freilandstrecken und im Ortsgebiet zu Kollisionen zwischen Pkw und Motorrädern führen. Insgesamt 80 Fahrschüler steirischer Fahrschulen wurden mit den Szenarien konfrontiert. Anhand mehrfacher Übungsfahrten im Simulator wurde überprüft, ob und wie früh die Testpersonen das Motorrad erkennen. Ein eigens für die Studie konzipiertes Fahrerassistenzsystem unterstützte sie dabei mit akustischen und optischen Warnsignalen.

Dieses basiert auf der Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation (C2C-Communication), bei der die Fahrzeuge miteinander kommunizieren und sich gegenseitig über ihre jeweilige Position und Geschwindigkeit informieren. „Technisch ist das heute bereits möglich. Allerdings scheitert die Markteinführung bislang an den hohen Kosten“, weiß Eichberger. Er geht aber davon aus, dass die C2C-Kommunikation in den nächsten Jahren in Serienfahrzeugen ankommt.

Signifikante Verbesserung durch Fahrtrainings

Die Studie zeigt: Eine Fahrsimulator-gestützte Fahrausbildung kann die Wahrnehmung von Motorädern signifikant verbessern. Der Nutzen des Fahrassistenzsystems mit Warnsignalen ist situationsabhängig. Auf Landstraßen trägt es zu einer Früherkennung bei. Im Ortsgebiet sinkt die Performance aber. „Im innerstädtischen Verkehr verlassen sich die Fahrer nach der Gewöhnung zu sehr auf das Fahrerassistenzsystem“, so die Interpretation von Eichberger, der den Einsatz auch bei Ablenkung und Unaufmerksamkeit als sinnvoll erachtet. Eichberger kann sich vorstellen, dass die Trainingsmethode zukünftig mannigfach zum Einsatz kommt: „Die Studie unterstreicht die Vorteile von Fahrsimulatoren. Das Verhalten in kritischen Situationen kann so risikofrei trainiert und die Fahrtüchtigkeit verbessert werden.“

Die Top-Tipps des Motorradexperten für den Saisonstart

Dass Motorradfahrer selbst etwas für ihr Wohl im Straßenverkehr tun können, steht aber außer Frage. Dazu gibt Georg Scheiblauer vom ÖAMTC entsprechende Tipps. Im Frühling gibt es besondere fahrtechnische Herausforderungen. „Bei niedrigen Temperaturen haben die Motorradreifen wenig Grip, in vielen Kurven und am Straßenrand liegt noch Rollsplitt“, erklärt Scheiblauer. Der Bike-Profi der ÖAMTC Fahrtechnik rät daher, die ersten Ausfahrten mit entsprechendem Respekt anzugehen.

Weitere Tipps:

Defensiv fahren. Der Selbstschutz im Straßenverkehr beginnt mit einer angepassten Fahrweise. Mit vorausschauendem, konzentriertem und kontrolliertem Fahren vermeidet man Risikosituationen.

Abstand halten. „Der richtige Abstand verschafft dem Biker den Sicherheitspolster, um Fehler von anderen Verkehrsteilnehmern zu korrigieren“, so Scheiblauer.

Gefahrensituationen erkennen und vermeiden. Ein Motorradfahrer sollte nie länger als notwendig im toten Winkel von Fahrzeugen fahren. "Vorsicht auch vor Linksabbiegern - Autofahrer übersehen entgegenkommende Motorräder manchmal oder sie schätzen deren Tempo falsch ein.“

„Spuren lesen“: Motorradfahrer müssen in der Lage sein, die Fahrbahn richtig zu lesen. Dunkle Flecken in Kurven etwa können gefährliche Dieselspuren sein.

Richtige Bekleidung: „Neben einer umsichtigen Fahrweise hat auch die Bekleidung eine wichtige Schutzfunktion. Verantwortungsvolle Biker treten ihre Fahrt nur mit kompletter Schutzkleidung an - das gilt auch für den Sozius“, so der Tipp des Motorrad-Chefinstruktors der ÖAMTC Fahrtechnik.

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