Zweiräder : Moto Guzzi V 7 III Carbon Dark im Test

Moto Guzzi V7
© L. Fliesser

Wer heute in ein Auto aus den Anfängen der 80er-Jahre einsteigt, der wird feststellen: Es haben sich gewaltige, technische Entwicklungen vollzogen. Ein moderner Pkw hat mit einem 35 Jahre alten Fahrzeug zwar die vier Räder und den Verbrennungsmotor gemein, ansonsten sind die Maschinen aber so weit voneinander entfernt wie die ersten Hochräder von einem modernen Mountain-Bike.

Wer, wie ich, normalerweise mit einer Suzuki GS 450 aus den frühen 80ern unterwegs ist und nun auf die Moto Guzzi V7 steigt ist folglich etwas überrascht, dass man sich auf dem nagelneuen Bike sofort wie zu Hause fühlt: Es hat sich scheinbar nichts geändert, in den letzten 35 Jahren – der Ofen ist absolut „Oldschool“! Betrachtet man die inneren Werte, dann haben sich aber natürlich auch die Motorräder weiter entwickelt: ABS, damals für Zweiräder noch nicht einmal eine Option, ist seit geraumer Zeit auch bei Motorrädern üblich und heute gesetzlicher Standard. Und auch eine weitere technische Errungenschaft aus dem Automobil-Bereich hat Einzug gehalten und ist auch in unserer Moto Guzzi zu finden: Die elektronische Traktionskontrolle, welche ähnlich wie das ESP im Auto, das Durchdrehen des Hinterrads beziehungsweise das Aufsteigen des Vorderrads verhindert. Diese lässt sich bei unserem Test-Bike in zwei Stufen regeln oder gänzlich abschalten.

Minimalistisch

Es gibt wohl kaum eine Möglichkeit, die Instrumententafel noch weiter zu reduzieren, als Moto Guzzi es bei der V7 III Carbon Dark gemacht hat. Einzig und allein ein kreisrunder Tachometer findet sich neben dem Zündschloss vorne am Motorrad, einen Drehzahlmesser sucht man vergeblich. Über eine LCD-Anzeige können Gesamt- und Tageskilometer sowie der Momentan- und Durchschnittsverbrauch angezeigt werden. Ebenso kann damit die Einstellung der Traktionskontrolle abgerufen und verändert werden. Die gesamte Bedienung für das Menü erfolgt über eine einzige Daumentaste, als Bestätigungstaste fungiert der Starterknopf. Ein kleiner Kritikpunkt ist vielleicht der mangelnde Stauraum: das obligatorisch mitzuführende Verbandspäckchen müssen wir separat transportieren, unter der Sitzbank bringen wir das kleine Täschchen nicht unter. Ein Topcase ist für die V 7 herstellerseitig nicht verfügbar.

Antrieb und Fahrerlebnis

Für den Vortrieb von 209 Kilogramm Bike plus Fahrer sorgen zwei Zylinder mit insgesamt 744 ccm. Der quer zur Fahrrichtung liegende V-Motor ähnelt in seiner Konstruktion einem Boxer, nur dass die Zylinder eben nicht horizontal liegen sondern je 45 Grad schräg nach oben aus dem Motorblock ragen. Die Laufkultur ist dank der V-Zylinderanordnung hervorragend, lediglich beim ruckartigen Beschleunigen durchzuckt den Motor eine kräftige Vibration und eine rechtsgerichtete Seitwärtskraft (für Kenner eines Boxermotors absolut nichts Neues). Rein von der Papierform ist die Leistung der Moto Guzzi mit 38 kW (52 PS) keine Rakete, für die Führerscheinklasse A2 sind die V7 III Modelle auch auf 34 kW umrüstbar. Der Lange Hub sorgt dennoch für ein sattes Drehmoment von 60 Nm bei nur 2.800 U/min. Beeindruckend ist dabei die Beschleunigung aus dem Stand und die flache Drehmomentkurve, die insbesondere schon im niedrigen Drehzahlbereich ordentlich Druck macht. Wer von unten heraus kräftig beschleunigt darf sich darüber hinaus über ein mit dem Schub einsetzendes, sonores Brummen des Motors freuen, das auch physisch als leichte Vibration der Maschine wahrgenommen werden kann. Der vom Motor ausgehende Sound unterstreicht dabei die urigen Design-Akzente unseres Bikes akustisch. Das gesamte Geräuschspektrum, das von unserem Bike ausgeht, ist dabei sehr stimmig.

In der getesteten Variante ist unsere Moto Guzzi sicher kein Rennfahrzeug für extreme Schräglagen, dafür sind die Fußrasten zu breit und die Lenkerstellung zu komfortabel. Aber das Gerät ist sehr wendig und der tiefe Schwerpunkt sorgt für eine stabile Straßenlage. Im Stadtverkehr fährt sich die V 7 angenehm agil. Die breiten Reifen sorgen für optimale Kraftübertragung: Zumindest auf trockener Fahrbahn kommen wir auch gut ohne Traktionskontrolle zurecht. Wer einen Kettenantrieb gewohnt ist, für den ist die präzise, direkte Weitergabe jedes Impulses am Gasgriff über die Kardan-Welle ein Erlebnis: es wird vermutlich schwer, sich nach dem Test wieder an die Kette zu gewöhnen.

Fazit

Fast keine Innovation in den letzten 35 Jahren: So in etwa lässt sich die Entwicklung des Motorradfahrens ganz allgemein auf den Punkt bringen. Unser Test-Bike ist dabei ein idealtypischer Vertreter dieser Innovationslosigkeit. Was im ersten Moment wie ein Kritikpunkt klingen mag ist jedoch für Oldschool-Fans und Motorradpuristen ein großes Kompliment: Moto Guzzi ist es mit der V 7 III gelungen, ein gut fahrbares und auf das Wesentliche reduzierte Naked-Bike herauszubringen, das nicht nur optisch einiges hermacht, sondern auch Fahrspaß garantiert.

Von der Konfiguration her ist das Motorrad, auch mangels Stauraum, für kurze bis mittlere Strecken gedacht, also ideal für Ausfahrten am Wochenende oder für den Alltagsverkehr in der Stadt. Zu haben ist die getestete Modellvariante „Carbon Dark“ bei der Firma Faber in 1230 Wien um 11.499,- Euro. Die Variante „Stone“ ist dort aktuell in Aktion und schon um 7.999,- Euro zu haben (Stand 14. August 2018).