Interview : „Das Dienstfahrzeug ist die goldene Kuh im Unternehmen“

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© Wolfgang Ehrendorfer

Klaus Alberer ist erst seit Oktober 2018 im Unternehmen. Sein Auftrag ist für ihn klar: Er soll nicht nur die firmeneigene Fuhrparkflotte „elektrifizieren“ und somit in die elektro-mobile Zukunft führen, sondern diese Aufgabe auch für Kunden erfüllen. Damit findet auch ein genereller Wandel statt. Die TÜV-Austria-Gruppe, mit Niederlassungen in mehr als 20 Ländern besteht bereits seit 1872. Nun will sie nicht länger nur für Themen wie Prüfen und Inspizieren ein Begriff sein, sie will die eigenen Kompetenzen auf das Feld der E-Mobilität führen, wie uns Klaus Alberer erklärt.

Erst Ende Jänner wurde mit der Eröffnung des TÜV Austria Technology & Innovation Center in Wien-Inzersdorf der Grundstein gelegt. Dort wird ein erweiterter Automotive-Bereich mit Schwerpunkt Elektromobilität geschaffen. Gäste, die dem Standort einen Besuch mit dem eigenen E-Auto abstatten, finden bereits Parkplätze mit Ladesäulen vor, die laut Alberer eine Ladeenergie bis 22 kW abgegeben können. Auch das ist Teil der E-Mobilitätsstrategie von Österreichs größten Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsdienstleister.

Klaus Alberer, der die Bereichsleitung für E-Mobilität und Infrastruktur innehat, ist Elektrotechniker. An das E-Mobilitätsthema tritt er gelassen, zugleich aber offen und interessiert heran, wie sich im FIRMENWAGEN-Gespräch herausgestellte. Derzeit hat der TÜV Austria selbst einen Bestand von rund 30 Elektrofahrzeugen. „Wir haben uns einfach angesehen, was es auf dem Markt gibt“, antwortet Alberer auf die Frage, welche Fahrzeugmodelle bei der Anschaffung näher in Betracht gezogen wurden. „Sie glauben gar nicht, wie oft der Ruf nach einem Tesla Model kommt, obwohl dieses Fahrzeug vielleicht gar nicht das passende für den jeweiligen Einsatzzweck ist“, so Alberer.

Wie so oft spielt die TCO (Total Cost of Ownership, Anm. d. Red.) eine wesentliche Rolle in Anschaffungsfragen. „Wir subventionieren hier keine E-Fahrzeuge, weil sie für Mitarbeiter ‚nett‘ wären, sondern weil die Gesamtkosten stimmen müssen. Wir sehen sie als Werkzeuge, mit denen die Mitarbeiter ihre Aufträge erfüllen können - und wenn das rein elektrisch funktioniert, dann steht dem nichts im Weg“, erklärt der Techniker.

Kosten sollen minimiert werden

Basierend auf dem Know-how der TÜV Austria, wurde nun eine Service-Dienstleistung namens „e-fleet“ ins Leben gerufen, mit der das Unternehmen seine Kunden beim Umstieg auf die E-Mobilität mit Fachwissen unterstützen will. Dazu zählen neben Beratungsangeboten auch Fahrprofilanalysen. Auf diesem Gebiet kooperiert TÜV Austria auch mit der Raiffeisen Leasing. „Es geht darum, herauszufinden, welches Elektrofahrzeug für die Mitarbeiter eines Unternehmens am besten geeignet ist“, erklärt Alberer. „Wir wissen, wie man E-Fahrzeuge und deren Reichweite testet. Außerdem haben wir alle Fahrzeuge, mit denen eine Analyse durchgeführt wird auch selbst in der Stadt, auf der Autobahn und Überland getestet, um reale Verbrauchswerte zu erhalten“, betont der Techniker.

Der Ablauf bei der Fahrprofilanalyse ist folgendermaßen: Ein Kunde stellt eine Anfrage über die Prüfung eines batteriebetriebenen Dienstfahrzeugs und darüber, ob dieses für seine Mitarbeiter in Frage kommt. Anschließend erhält der Kunde einen GPS-Logger, der für die Analyse im Fahrzeug platziert wird. Hierbei werden Werte erhoben wie die Kilometerleistung, an welchen Standorten geparkt wird und die durchschnittliche Dauer. Nach sechs Wochen wertet TÜV Austria die erfassten Daten aus. „Jedes Unternehmen stellt individuelle Anforderungen an die Fahrzeuge seiner Fuhrparkflotte, doch am Ende lässt sich durch diese Methode das geeignetste Elektrofahrzeug für jeden Fuhrpark ausfindig machen“, sagt Alberer.

Stromabrechnung nicht immer einfach

Neben einer Fahrprofilanalyse geht es auch um die passende Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. TÜV Austria hat hierzu „e-charge“ ins Leben gerufen. An den drei TÜV-Standorten Brunn am Gebirge, Wien-Inzersdorf und Leonding wurden bereits vernetzte Ladeinfrastrukturen installiert. Die Mitarbeiter können dort mit ihrem Ausweis ihre Elektroautos laden. Interessant wird die Sache vor allem dann, wenn es Richtung Pool-Fahrzeuge geht, die die Mitarbeiter bedarfsweise nutzen können. Aktuell stecke das laut Alberer aber noch in der Umsetzungsphase.

„Für unsere Kunden bietet sich eine automatische Analyse an, die darüber Auskunft geben soll, wo sie am besten mit ihren Elektrofahrzeugen fahren sollten“, erklärt Alberer. Sie zeigt aber auch, welche Nachteile es geben kann. Denn was es früher nicht gab, war die Erhebung belastbarer Reichweiten. „Da können wir als unabhängige Dritte unser Know-how und unsere Erfahrungen gut einbringen“ ergänzt Alberer. Zu klären sei auch, wo die Ausrichtung der Infrastruktur für den Umstieg auf die Elektromobilität Sinn machen würde. Das gestaltet sich nicht immer leicht: „Am Arbeitsplatz macht es logischerweise Sinn wie zu Hause, doch vom Stromabrechnen her sind die eigenen vier Wände schwieriger“, weiß Alberer.

Schneeballeffekt hilft bei Umsetzung

Auf die Frage, ob die Reichweitenangst als Argument gegen die E-Mobilität häufig vorgebracht wird, hat Alberer ebenfalls eine Antwort parat: „In einem Unternehmen ist es immer hilfreich, mit Motivierten zu starten, um einen Schnellballeffekt loszutreten. Wenn man jedoch mit Zwang an die Sache herangeht, formieren sich ganz leicht Widerstände.“ Bei TÜV Austria wird die Einführung von E-Fahrzeugen laut Alberer sachte angegangen: „Wir sind ganz viele Einzelpersonen in einer Unternehmensgruppe formiert und genauso nähern wir uns auch dem Thema der Elektromobilität an“.

Den „Drive“ möchte der Mobilitätsexperte zwar niemandem nehmen, doch mit dem Schlagbohrer durch die Wand zu gehen, birgt denkbar schlechte Erfolgsaussichten. „Das Dienstfahrzeug ist die goldene Kuh im Unternehmen“, betont Alberer und ergänzt: „Die E-Mobilität soll am besten organisch wachsen.“ Die Einstiegsaufgabe sei es vielmehr, genau jene Mitarbeiter zu finden, die sich schon mit dem Thema E-Mobilität beschäftigt haben, aufgeschlossen sind, und keine Angst vor dem elektrischen Fahren haben.

Reichweitenangst aus den Köpfen kriegen

Auch Schnellladesäulen sind wichtig, um die Reichweitenangst aus den Köpfen verschwinden zu lassen. Das Thema Hochleistungsladestationen wird auch bei TÜV Austria diskutiert. „Hier bewegt sich wirklich viel, denn es gibt bereits private Anbieter wie Ionity oder Smatrics, aber auch andere lokale Anbieter, die mit Hochtouren an diesem Thema arbeiten. Selbst empfehlen wir Schnellladesäulen unseren Kunden in der Regel aber nicht, denn es macht wirtschaftlich keinen Sinn. Mitarbeiter können zwar auf dem Firmengelände schnell laden, müssen aber ebenso schnell wieder wegfahren“, so Alberer. Vielmehr haben die Angestellten den Vorteil, dass sie über die Dauer ihres Arbeitstages laden können und mit einem aufgeladenen Fahrzeug wieder nach Hause fahren.

Nutzlaststeigerung durch Fahrzeugoptimierung


TÜV Austria hat in seinem Technology & Innovation Center in Wien-Inzersdorf auch einen Nissan e-NV 200 im Einsatz. Der vollelektrische Kastenwagen erfüllt seine Dienste anstandslos, jedoch besitzt er durch die verbaute Batterie weniger Zuladung als die Variante mit Verbrennungsmotor. „Mit der Wahl des richtigen Räder-Reifen-Satzes und unserem Know-how im Bereich der Auflastung kann und darf der Kastenwagen mehr Nutzlast transportieren (Kategorie „N1“, größer als 2,5 Tonnen) und fällt zugleich in eine höhere Förderkategorie“, erklärt Alberer. Aktuell ist das Unternehmen dabei, ein Gesamtpaket zu schnüren, das den Kunden dabei helfen soll, das Gewicht ihrer E-Flotte zu optimieren.

Mit Konformitätsprüfungen bereitet TÜV Austria zudem die nächste Ausbaustufe des E-Mobility-Pakets vor: Es geht darum zu klären, welche Prüfungen ein Hersteller von Ladeinfrastruktur durchführen beziehungsweise positiv bestehen muss, damit er seine Geräte konform auf den Markt bringen kann. „Mir ist es ein Anliegen, dass jeder eine vernünftige Lademöglichkeit zuhause hat“, betont Alberer. Schuko-Lademöglichkeiten gebe es, empfehlenswert sind sie aus seiner Sicht jedoch nicht.
„Mit der Ladung eines E-Autos zu Hause, wird die Energiemenge des Haushaltes fast verdoppelt, und ich möchte nicht in den Nachrichten lesen, dass ein Familienhaus abgebrannt ist, weil die Schuko-Leitung überlastet war.“ Eine Wallbox hat dagegen den Vorteil, dass sie professionell verdrahtet werden und der Techniker entsprechende Installationsmessungen durchführen muss, bevor sie in Betrieb genommen werden darf.

Auf die Frage, wie sich Alberer die Zukunft des Fuhrparks vorstellt, antwortet er: „Es wird einen interessanten Mix an Antrieben geben. Die Zeiten vom reinen Hubkolbenmotor sind durch dessen Komplexität, die Ausfallwahrscheinlichkeiten und Wartungskosten gezählt.“ Zwar lassen sich diese Risiken im Unternehmensumfeld noch über die ersten zwei bis drei Jahre streuen, über die Restwertbetrachtung wirke es sich dann doch auf die Kosten aus, ob elektrisch oder mit Treibstoff gefahren wird. In diesem Punkt sieht er das Potenzial klar aufseiten der E-Mobilität. Darauf, welche Technologie die Fahrzeugenergie flächendeckend liefern wird, möchte sich Alberer dann aber doch nicht festlegen. „Ich blicke positiv in die Zukunft, denn es wird spannend. Wichtig ist, dass wir immer einen Schritt voraus sind und wenn wir die Aufgaben des Mitbewerbs mit übernehmen können, haben wir kein Problem damit.“